Grün war die Hoffnung
argumentierte er, während er in dem gemieteten Haus in Tarzana auf dem Wohnzimmerteppich auf und ab ging. Draußen quakten die Frösche, und die Vögel sangen selbstvergessen in den Bäumen, die Tierwater nun längere Zeit nicht mehr sehen würde. »Oder General Electric. Du wirst doch nicht wollen, daß die alles kriegen, was du hast, oder?«
Tierwater stand unter Schock. Er klemmte in seiner angeschmuddelten Halskrause und beugte sich beim Unterschreiben ungelenk vor. Und Andrea reichte, wie besprochen, die Scheidung ein. »Ja, ich bin echt sauer«, sagte sie, »klar bin ich das, du hast mich enttäuscht und verletzt – und ich kann dir kaum sagen, welchen Schaden du angerichtet hast, Ty, nicht nur für mich und Sierra, für die gesamte Organisation. Du hast so verflucht gedankenlos und dumm gehandelt, daß ich es gar nicht glauben kann« – ein Schatten huschte auf schnellen Schwingen am Fenster vorbei, Sierra saß bleich auf der Couch, die Knie bis ans Kinn gezogen, Fred stand neben ihr –, »aber ich lasse dich nicht im Stich, obwohl mir das niemand vorwerfen würde. Es ist nur ein Manöver, verstehst du? Wir schaffen dein Vermögen beiseite und hoffen, daß die andere Seite nicht herausfindet, daß du mehr als einen Schrank voll altem Campingzeug, einen zerbeulten Jeep und ein gemietetes Haus besitzt. Wenn du nichts hast, was können sie dir wegnehmen?«
(Ansprachen. Ich hatte eine nach der anderen gehört, jede so praktisch und so vernünftig, aber insgesamt lief es darauf hinaus, daß Ty Tierwater ausgenommen wurde, ein für allemal, die schwer verdienten Dollars meines Vaters landeten im Trichter und verschwanden im geldgierigen Schlund von Earth Forever!, den Rettern des Planeten mit Eintrag im Handelsregister: Demos de luxe, da-da-da! Andrea und ich haben nie wieder geheiratet, obwohl sie für mich da war, als ich rauskam, zumindest nominell. Klinge ich verbittert? Bin ich auch. Oder ich war es. Aber das ist jetzt alles eigentlich nicht mehr wichtig.)
Also stieg Tierwater, offiziell besitzlos, die Fußknöchel in Ketten, die Arme in Handschellen, in den Bus zum Staatsgefängnis in Vacaville, ein großes, abstoßendes Fabrikgebäude in den gelben Hügeln im Norden Kaliforniens. Was ließ sich darüber sagen? Es war kein Ferienlager, das stand fest. Keine Tennisplätze, keine Spaziergänge auf dem Hof, keine Zimmer. Hier dominierte der Zellenblock. Ein Knast für den anspruchsvollen Verbrecher, Amateure bitte draußen bleiben. Die Zelle enthielt ein Metallrohrbett, ein stählernes, deckelloses Klo, zwei Metalltheken mit ausklappbaren Hockern, ein Waschbecken, eine einsame Glühbirne an der Decke und, an die Wand geschraubt, ein poliertes Stahlblech als Spiegel. Die Wärter ließen sich nicht gerne Wärter nennen – sie waren »Vollzugsbeamte« –, sie wiederum nannten alle anderen »Arschgesicht«, unabhängig von Rasse, Haftgrund oder Einstellung. Was sonst noch? Die Cuisine war beschissen. Die Arbeit war beschissen. Die Mithäftlinge waren beschissen. Besaufen konnte man sich mit einer ranzigen, wäßrigen Flüssigkeit aus Brot, Orangen, Wasser und Zucker, die man vier Tage lang in einer hinten im Spind versteckten Plastiktüte gären ließ. Drogen kamen in der Vagina von Freundin oder Ehefrau, oder sie steckten in Kondomen, die während des ersten langen, genüßlichen Kusses zur Begrüßung vom weiblichen in den männlichen Mund wechselten. Tierwater nahm keine Drogen. Und er hatte keine Freundin. Seine Frau – jetzt Exfrau – besuchte ihn einmal im Monat, wenn er Glück hatte. Und seine Tochter – in ihren Augen, und nur in ihren, war er immer noch einHeld – versuchte hinzufahren, sooft sie konnte, aber sie ging jetzt aufs College und mußte Referate vorbereiten, Prüfungen ablegen, Demos verstärken, Protestaktionen organisieren, Tiere befreien. Sie schrieb aber jede Woche – lange, weitschweifige Briefe über die Gaia-Hypothese, Rock and Roll, die Bewahrung fossiler Brennstoffe und die hygienischen Angewohnheiten ihrer Mitbewohnerin. Gelegentlich nahm sie den Bus nach Vacaville, um ihn zu überraschen.
(Beispiel einer Unterhaltung zwischen Tierwater und seiner Tochter, zwischen ihnen der Tisch, dazu das Gekreische und Gebrabbel von zwei Dutzend Stimmen und Fat Frank, der aufgeschwemmte Wärter, der über ihnen lauerte wie eine Lawine kurz vor dem Losbrechen.
Sierra: Na ja, Hühner haben schließlich auch Rechte. Logisch. Das ist doch alles nur Artenchauvinismus, nichts
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