Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
so etwas wie Farsi – möglicherweise auch Finnisch –, und einen Sender aus Fresno, der sich vollkommen dem Techno-Country verschrieben hat. Na schön. Ich schalte das Radio wieder aus und murmle erneut vor mich hin – nur so zur Unterhaltung, versteht ihr?
    In etwa tausendfünfhundert Metern Höhe dünnt der Verkehr allmählich aus; das einst im Tiefschlaf dahindämmernde Camp Orson ist mittlerweile zu Orsonville geworden, ein boomender Ort am Berghang voller Wohnwagen, Mini-Einkaufszentren, Apartmenthäuser, Videoläden und Pizzaküchen (Probieren Sie unser Sonderangebot: Welsfilet/Peperoni!) . Ich richte meine Jungaltenaugen fest auf die Straße, umfahre LKW-Monster, Strandbuggies und aufgebockte Jeeps, und dann sind wir endlich auf dem letzten Straßenstück nach Big Timber. Die Verhältnisse sind hier beträchtlich rauher, alle hundert Meter ist die Piste übel ausgewaschen, zu beiden Seiten ragen die gekappten Stämme umgestürzter Bäume wie Zahnstümpfe auf, die Steinschlagschilder gelten unbegrenzt. Aber der Olfputt – einhundertzwölftausend Dollar von Macs Vermögen in konkreter Form – brummt auf seinen Straßenkämpfer-Gürtelreifen unverwüstlich dahin. Jetzt sind nur noch zwei Wagen vor uns, und die biegen in Upper Orsonville ab – ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen ist, weiß ich nicht. Ich habe den vagen Verdacht, daß es ein schlechtes ist – niemand will weiter hinauffahren, weil die Straße so voller Löcher und Buckel ist und weil’s da oben sowieso kein dort gibt, wenn man erst mal hinkommt –, aber es ist zu spät zum Umkehren. Das Erfreuliche ist, daß es auf circa siebenunddreißig Grad abgekühlt hat.
    Eine halbe Stunde später erwacht Andrea mit einem Schnarcher, gerade als wir in Big Timber einrollen, wo auch immer noch die Big Timber Bar and Mountain Top Lodge steht – sicher, sie ist total verfallen und bräuchte dringend einen Anstrich und ein neues Dach vielleicht, und eine tote Weißborkenkiefer (Pinus albicaulis) der Fünfzigtonnenklasse lehnt im Fünfundvierziggradwinkel vor den Restaurantfenstern, aber sie ist noch da und hat sich dem Anschein nach nicht allzusehr verändert, seit wir damals vor vielen Jahren als die Drinkwaters durch die Tür traten. Was sich aber verändert hat, und darauf hätten uns keine Bilder in den Abendnachrichten vorbereiten können, das ist der Wald. Er ist weg. Oder nicht wirklich weg, sondern zu Boden gegangen – überall liegen Bäume über Bäumen, in der Mitte geknickt, am Fuß abgebrochen, entwurzelt und von der Gewalt der Stürme mehrere hundert Meter weit geschleudert. All die Kiefern – Zucker- und Gelbkiefer, Jeffrey- und Ponderosakiefer –, die Flußzedern, Redwoods, Espen und andere Bäume liegen herum wie Mikadostäbchen. Mount Saint Helens, so sieht es aus. Wie Mount Saint Helens nach dem Ausbruch.
    Andrea stößt einen leisen Pfiff aus, und Petunia spitzt die Ohren, immer wachsam. »Ich wußte, daß es schlimm ist«, sagt sie und läßt mich den Gedanken beenden.
    Ich nicke zustimmend und bin so betäubt, als hätte man mich auf den Mars verpflanzt. Draußen hat es dreißig Grad, es bläst ein ordentlicher Wind, und der Schnee – der alles erdrückende Rekordschnee, der zugedeckt hat, was die Stürme und die Käfer und die Dürre übrigließen – ist weg. Sehe ich auch Zeichen der Hoffnung? Am Ende des Parkplatzes, wo drei verwitterte Pickups dicht an der Tür zur Bar stehen, lugen ein paar Gräser aus der müden Erde, frisch aufgeplatzte Knospen prangen wie gekrümmte Finger an den Zweigen der arthritischen Espen, und was noch? Einen Vogel. Einen schäbigen mutierten Häher von der Farbe eines vollgesogenen Tintenlöschers, der irgend etwas Fasriges im Schnabel hält. »Ich brauche einen Drink«, sage ich.
    Drinnen hat sich überhaupt nichts verändert: ein paar gedrungene Gestalten in dreckigen T-Shirts und Baseballmützen hocken an der Theke aus knorrigen Kiefernbrettern, ein zerlumpter Hirschkopf starrt von der Wand herunter, verfärbte Flecken auf dem Boden, wo das Dach geleckt hat und wieder lecken wird, staubige Gläser mit eingelegten Eiern und noch staubigere Flaschen, die einst Scotch, Bourbon und Tequila enthielten. Und die Glotze natürlich, wo eine Show namens Kochen ohne Eier läuft, in der ein sackgesichtiger Küchenchef mit Kochmütze und Schürze in einer tiefen Schüssel aus rostfreiem Stahl etwas entfernt Eierartiges zusammenrührt. Wer hier junge oder auch nur mittelalte Leute sucht, wird

Weitere Kostenlose Bücher