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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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mit der Schulter aufstieß, wenn er mit den Einkaufstüten hereinkam. Zum erstenmal seit langem verspüre ich etwas Ähnliches wie Optimismus oder zumindest eine Abnahme des Pessimismusgradienten. Es wird funktionieren, sage ich mir, es wird alles gut werden.
    Drinnen sieht es in etwa aus, wie es nach über fünfzehn Jahren Verwahrlosung zu erwarten war – doch ist hier nicht nur passiver Zerfall am Werk gewesen, sondern eine aktive Verschwörung der Elemente, die Hütte zu Boden zu ringen. Das größte Problem ist der Baumstamm, der wie das hochgelagerte Bein eines schlafenden Riesen quer über dem Dachfirst liegt – und es wird ein unlösbares Problem werden, wenn die Unwetter losbrechen –, aber einstweilen müssen wir einfach damit leben. Andrea steht inmitten der Trümmer am Boden, das Kinn entschlossen vorgeschoben, die Schultern zurückgeworfen, und denkt in dieselbe Richtung. »Im Winter können wir eben nur die hinteren Räume bewohnen«, sagt sie und bückt sich geistesabwesend, um ein gelbes Stück Gewebe von der Größe eines Topflappens aufzuheben. Es dauert eine Zeitlang, und ich muß es betasten und zwischen Daumen und Zeigefinger reiben, aber dann wird mir klar, was es ist – die Überreste des Löwenfells, zernagt von Generationen von Waldratten und dergleichen. Und von Vögeln. Die Vögel darf man nicht vergessen, denn sie sind immer noch da, sie leben noch, einige jedenfalls. Ich habe plötzlich das Bild eines Spatzen vor Augen, der sein Nest mit Löwenfell auspolstert, und warum muß ich dabei so grinsen?
    Alle übrigen Trophäen – Rappenantilope und Flußschwein, Stammesschilde und Elefantenbüchsen – haben schon vor langem irgendwelche Plünderer von den Wänden gerissen, die auch alle sonstigen Wertgegenstände mitgenommen haben dürften, einschließlich der Badezimmerarmaturen; der Holzboden hat Löcher, durch die eine Bowlingkugel passen würde, die Badewanne enthält eine Brühe aus Algen und Mückenlarven, und mindestens drei Viertel der Hartholzschindeln – der Löwenanteil sozusagen – sind vom Dach gerissen und quer über den Kontinent geblasen worden wie dünne Zweiglein. Im Chaos der Küche, schändlich auf dem Fußboden dahingestreckt unter einem Haufen zerbeulter Pfannen, gesplittertem Glas und Geschirrtüchern, liegt der Menschenfresser von Luangwa persönlich, immer noch aufgebäumt, die Zähne gebleckt und mittels des Pflockes, der ihm durch das Rückgrat getrieben wurde, an dem schweren Metallsockel befestigt. Andrea stößt einen leisen Schrei aus, und dann angelt sie zwischen Sägespänen und Mäusedreck eine kalte, harte glitzernde Kugel aus einer Bratpfanne. Und was ist das? Das Glasauge des Menschenfressers, eine große goldene Katzenaugenmurmel mit dem schwarzen Schlitz einer Pupille darin.
    Dieses Objekt, dieses Relikt schnürt mir die Kehle zu, und ich kann nicht sagen, warum. Da liegt es in meiner Hand, ein glitzernder künstlicher Gegenstand, Stellvertreter der Wirklichkeit. Mir fällt nichts weiter ein, als zu sagen: »Armer Mac.«
    Andrea krempelt sich die Ärmel hoch, sucht nach Besen, Scheuerbürste, reißfesten Mülltüten, dennoch nimmt sie sich eine Minute Zeit, um meine Hand zu ergreifen. Sie nickt traurig, langsam und elegisch, aber der Optimist hier ist sie, daran gibt es keinen Zweifel. »So grauenhaft es war«, sagt sie, »immerhin war es doch auch etwas Besonderes .«
    »Etwas Besonderes? Wie meinst du das?«
    Das Licht in dem hohen gesplitterten Fenster vor ihr ist wie Sirup, der sich über die Deckenbalken und den hereindrängenden Bauch des riesigen Baumes ergießt, Dunkel fällt über die Erde, die Nacht bricht herein. Es ist sehr still. »Denk mal drüber nach, Ty – unter den Milliarden von uns hier auf diesem Planeten ist er der letzte, der noch... der so geendet hat. Eigentlich beinahe eine Ehre.«
    Was den Rest angeht, ergeben wir uns der Zeit und gleiten in einem so gelassenen, unkomplizierten Ablauf durch die Tage, wie ich es noch nie erlebt habe – es ist fast so, als wären wir wieder in der Wildnis. Mit der Sonne aufstehen, bei Einbruch der Nacht ins Bett, kein anderer Gedanke, als uns ein Leben zu schaffen, von Minute zu Minute, von Stunde zu Stunde. Wir karren den Unrat in Tüten weg, scheuern die Böden, bis die Küchenfliesen wieder zu Leben erwachen und das Holz unter einer frischen Schicht Bohnerwachs schimmert. Wir zerdrücken Waldameisen, kämpfen mit Wespen, jagen Mäuse und Vögel und Fledermäuse zurück in die Natur, wo

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