Grün war die Hoffnung
Afghane?«
»Genau«, sage ich, »ganz recht, das ist ein Hund.« Und dann, aus keinem Grund, den ich benennen könnte, sage ich noch, ohne es zu wollen: »Und ich, ich bin ein Mensch.«
Hanser eBook
T. Coraghessan Boyle
DROP CITY
Roman
Aus dem Amerikanischen
von Werner Richter
Carl Hanser Verlag
Die amerikanische Originalausgabe erschien
erstmals 2003 unter dem Titel Drop City
bei Viking Penguin in New York.
Die Arbeit des Übersetzers am vorliegenden Text wurde
vom Deutschen Übersetzerfonds e.V. gefördert.
Danksagung
Der Autor möchte sich bei Chuck Fadel, Jorma Kaukonen,
Russell Timothy Miller, Alan Arkawy und Jim Perry
für ihre Hilfe und Ratschläge bedanken.
ISBN 978-3-446-23968-5
© T. Coraghessan Boyle 2003
Alle Rechte der deutschen Ausgabe:
© Carl Hanser Verlag München Wien 2012
Satz: Satz für Satz. Barbara Reischmann, Leutkirch
E-Book-Konvertierung: Beltz Bad Langensalza
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und viele andere Informationen finden Sie unter:
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Für die Schwestern
Kathy, Linda, Janice und Christine
Denkt an unser Leben in der Natur – täglich die Materie zu sehen, mit ihr in Berührung zu treten – mit Steinen, Bäumen, dem Wind auf unseren Wangen! der festen Erde! der wirklichen Welt! dem gesunden Verstand! Berührung! Berührung! Wer sind wir? wo sind wir?
Herny David Thoreau, »Ktaadn«
Let me tell you about heartache and the loss of god,
Wandering, wandering in hopeless night.
Out here in the perimeter there are no stars,
Out here we is stoned
Immaculate.
Jim Morrison,
»The WASP (Texas Radio and the Big Beat)«
Teil I
DROP CITY SÜD
C’mon people now
Smile on your brother
Everybody get together
Try to love one another right now.
Chet Powers: »Get Together«
1
Der Morgen war ein Fisch im Kescher, glitzernd und zappelnd am pechschwarzen Rand ihres Bewußtseins, aber sie hatte noch nie einen Fisch mit einem Kescher gefangen, ebensowenig wie mit der Angel, so daß sie nicht recht sagen konnte, ob oder wie oder warum. Der Morgen war ein Fisch im Kescher. Das sagte sie wieder und wieder vor sich hin, machte einen Singsang daraus – ein Mantra –, während sie Quecken mit der Guillotine ihrer Hacke köpfte, die schlitzäugigen Ziegen melkte und dann gemeinsam mit sechzig ekstatischen Gleichgesinnten schlürfend und kauend vor dem saß, was irgend jemand sich unter Haferbrei vorstellte.
Draußen brannte die Sonne Kaliforniens ein Statement in den Staub und zeigte den Nebengebäuden und den Bäumen zehn oder halb elf an. Ringsum erklangen Stimmen, lautes Lachen, vormittägliches Scherzen und Sticheln, sie selbst aber genoß das Schweben und ließ nur ihr Ein-Millionen-Kilowatt-Lächeln aufstrahlen, nahm den Keramiknapf mit den Nüssen und Körnern und Rosinen in Ziegenmilch und einem klebrigen Haferflockenklecks darin und wanderte zur Tür hinaus auf den Hof, um sich auf einem Baumstumpf niederzulassen und zu spüren, wie der heiße Staub des Tages zwischen ihre nackten Zehen kroch. Essen war kein privater Akt – auf Drop City war überhaupt nichts privat –, aber dafür gab es hier auch keine Aufseher im Schlafsaal, keine Animateure, weder Eltern noch Chefs, und sie hatte endlich das Gefühl, ihr eigenes Ding durchzuziehen. Nämlich locker abzuhängen. Denn darum ging’s ja wohl bei allem, oder? Sich die kalifornische Sonne ins Gesicht scheinen zu lassen, ohne Spielchen, ohne die Plastikgesellschaft – nichts als Freiheit und verwandte Seelen, lauter Brüder und Schwestern.
Star – Paulette Regina Starr, die ihren Namen und ihr Wesen auf vier Buchstaben reduziert hatte – war inzwischen schätzungsweise drei Wochen auf Drop City. Schätzungsweise . In Wirklichkeit hätte sie nicht sagen können, wie lange sie nun schon auf einer bestimmten Matratze in einem bestimmten Zimmer zwischen einem Haufen unbestimmter Leute pennte, und das war ihr auch nicht wichtig. Sie zählte keine Tage, Wochen und Monate – nicht mal die Jahre. Und Äonen auch nicht. Urknall. Wer hat das Universum erschaffen? Gott hat es erschaffen. Der Morgen ist ein Fisch im Kescher . War es nicht ein Dienstag gewesen, als sie eingetrudelt waren? Am Dienstag war abends immer eine Session, und heute ... Heute war Freitag. Das sagte ihr schon der Trubel rund um die Kochtöpfe in der Küche – die Wochenendhippies rollten an, samt den Gaffern und den Spannern –, aber was die Zeit anging, so hatte sie damit wenig Probleme,
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