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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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wie ja wohl aller Welt klargeworden sein dürfte, als sie in Taos ihre Tissot mit dem Goldarmband abgestreift und einem Indianerkind geschenkt hatte – ohne daß der Junge sie angeglotzt oder gar angebettelt hätte, er stand einfach so an der Bushaltestelle, an der Hand seiner Mutter. »Hier«, hatte sie gesagt und sich das Ding vom Handgelenk gezogen, »willst du die haben?« Sie war noch nie an der Westküste gewesen, hatte so etwas wie ihn noch nie gesehen, aber da war er, die schwarzen Haare hingen ihm über die schwarzen Augen, ein tief in sich gekehrtes Indianerkind, und sie mußte ihm einfach irgendwas geben. In den Hügeln tummelten sich die Kakteen. Die Abgase des Busses stiegen ihr in die Nase, und ihre Augen tränten.
    In den Westen war sie mit einem Typ von zu Hause gekommen, Ronnie Sommers, der sich Pan nannte, und sie hatten unterwegs etliche Abenteuer erlebt, Star und Pan – ein bißchen wie die Entdecker Lewis und Clark, nur greller in der Optik. Ronnie nahm an Trampern alles mit, was lange Haare hatte, und das machte sich immer sagenhaft gut, denn es eröffnete ihnen eine riesige Welt von Schlafgelegenheiten mit Essen und Drogen gratis. Einmal pennten sie in Arizona eine Nacht in einem Tipi, bei einem Typ, der ganz braungebrannt und mager war und sich das Haar mit einem Stirnband aus Schlangenhaut zurückgebunden hatte. Sie kochten braunen Reis mit Blumenkohl am Lagerfeuer und warfen Peyote-Buttons ein, die er in den grellweißen Hügeln selbst gesammelt hatte. »Jäger und Sammler«, wiederholte er ständig, »genau das sind wir«, und jedesmal, wenn er es sagte, prusteten sie los, und dann baute Ronnie einen Joint, und sie fühlte sich so großartig, daß sie es gleich mit beiden machte.
    Sie sang immer noch vor sich hin, die Blätter an den Bäumen brutzelten unter ihren Augen, und der Haferflockenklecks starrte sie aus der gelblichen Ziegenmilch heraus an wie etwas, was aus ihrem Körper gekommen war, ausgespuckt, erbrochen, im eigenen Saft glänzend, als ein Schatten über sie fiel, und da war er, Ronnie, schwebte im Rahmen ihres Bildausschnitts wie ein Schemen. »Hey«, sagte er und kauerte sich in seinen Riemensandalen und den abgeschnittenen Bluejeans vor sie hin, »du hast mir gefehlt, wo warst du denn?« Dann hob er ihren Fuß aus dem Staub, ihren rechten Fuß, den mit der angelhakenförmigen Narbe, einer Kindheitserinnerung, und er küßte sie dort, der feuchte Abdruck seiner Lippen glitzerte in der Sonne.
    Sie starrte auf ihren Fuß, auf seine schlanke Hand und seine abgekauten langen Nägel, auf die Silber-Türkis-Ringe, die das Licht einfingen. »Ringo-Pan«, sagte sie.
    Er lachte. Sein Haar wurde im Nacken lang, es floß wie Garn über seinen Kopf, und der Bart wuchs allmählich zusammen. Doch sein Gesicht – sein Gesicht war klein und weit entfernt, wie ein Luftballon, der in den Himmel hinaufstieg.
    »Ich hab die Ziegen gemolken«, sagte sie.
    Zwei Kinder – kleine Kinder, blond, nackt und dreckig – kamen vorbei, plumpsten auf die Knie und rangelten miteinander. Irgend jemand schlug ein Tamburin, und jetzt hob auch eine Blockflöte an, trällerte und verstummte und hob wieder an wie Vogelgesang. »Gutes Dope, was?« sagte er.
    Ihr Lächeln kehrte zurück, ganz selig und sonnenerfüllt. Alles lebte, überall. Sie fühlte die Erde als große Kugel unter ihren Füßen rotieren. »Yeah«, sagte sie. »Allerdings. Echt irre.«
    Und dann war es Abend. Sie war langsam heruntergekommen, im Laufe eines langen, lässigen Nachmittags, der sich gerekelt und gewälzt hatte wie ein Hund auf seiner Decke, später hatte sie mit ein paar anderen in der Küche gewerkelt, Kräuter, Zwiebeln und Tomaten für die Linsensuppe kleingeschnitten und dabei zu Jefferson Airplane und Country Joe and the Fish mitgesungen. Irgend jemand ließ eine Pfeife herumgehen, und sie nahm ein, zwei Züge, außerdem achtete sie darauf, daß ihr Marmeladenglas immer voll mit Rotwein war, beim Kochen und beim Abwaschen ebenso wie beim Essen, das sich hinzog wie das Letzte Abendmahl, während ein Typ namens Sky Dog – oder hieß er Junior Sky Dog? – auf der Gitarre spielte und dazu Texte sang, die er sich offenbar ad hoc ausdachte. Die blonden Kinder vom Vormittag waren auch da, immer noch nackt, die Linsensuppe fleckte ihre Bäuche wie Kriegsbemalung, und eine große hagere Frau mit Augen, die wie zwei Krater in ihrem Kopf lagen, hatte sich ihr Baby in einem Weidenkörbchen auf den Rücken geschnallt. Überall waren

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