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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Mutter, genau wie jedermanns Mutter, und das versetzte sie in die Vergangenheit, als wäre sie in einem Familienfilm auf Super 8 gefangen. »Du ißt jetzt deine Eier und führst hier keinen Tanz auf, weil ich nämlich darauf echt nicht scharf bin heute morgen«, zischte Reba, »und ich sage dir ...«
    Die Kleine, Sunshine – die blieb gelassen stehen und schien von der unausgesprochenen Drohung nicht im mindesten berührt. Ihr Bruder verfiel sichtlich und war mächtig bedrückt von der frühen Stunde, dem seltsamen Ort und dem Leben auf diesem angetörnten Planeten, und Sunshine sah ihn an, als würde sie ihn gar nicht erkennen. Mit ihrem kratzigen Stimmchen sagte sie: »Ich will Saft.«
    »Milch«, korrigierte Reba automatisch. Weiter hinten in der Schlange schwebten die Leute auf ihren eigenen Planetenbahnen, überall Glöckchen, Perlen, morgendliche Witzeleien, sanft beschwingte Rhythmen, aber auch dort fragte man sich allmählich, warum es nicht voranging.
    Das dünne Stimmchen: »Saft.«
    Nun aber schaltete sich Star ein, weil sie den Saft – nun ja, es war der Tag der Druiden, das Fest der Sommersonnenwende, und den Orangensaft, frisch gepreßt von Lydia und so rein und süß und organisch-gesund wie sonst nichts im sonnenbeglückten goldenen Staat Kalifornien – zur Feier des Tages mit LSD versetzt hatten, mit Lysergsäurediäthylamid, denn heute würden alle Bewohner von Drop City mit ihrem inneren Selbst in Kontakt treten, allesamt, um in einer konzertierten Anstrengung die Bewußtseinsebene des Planeten um den Bruchteil eines Grades anzuheben. »Aber Kleines, der Saft ist heute nicht gut, der wird dir nicht schmecken ...«
    Das nackte Mädchen stand da, die Beine leicht gespreizt, und ihre Züge versanken in der breiten Arena ihres Gesichts, aber sie behauptete sich: »Saft.«
    »Ach, scheiß drauf«, sagte Reba. »Scheiß drauf. Zum Teufel. Ist mir doch egal. Dann gib ihr eben Saft.«
    Lydia, Merry und Maya sahen ihnen zu, ein ermattetes Lächeln auf dem Gesicht. Sie waren die Bräute, und sie servierten heute Frühstück. Morgen würde jemand anderes dran sein, eine andere Gruppe von Bräuten. Aber heute waren sie es – Stars Gruppe –, und es stieg eine Feier, jedenfalls sollte sie bald steigen. Star zögerte. »Aber es ... äh, also weißt du, der Saft ist heute was Besonderes , Reba. Ist dir das entfallen?«
    »Mittsommer.«
    »Genau.«
    »Der Tag der Druiden.«
    Sie spürte, wie das Gras an ihrem Körper zupfte, als würde sie gleich abheben, die Schwerkraft war aufgehoben wie in einem Traum, ihr Körper spürte nur die allersanfteste und lockende Erdanziehung, und dann ließ dieses Gefühl wieder nach. »Yeah«, sagte sie schließlich, »und deshalb haben wir, Lydia und ich, meine ich ...«
    »... den Orangensaft mit Acid versetzt? Als hätten Alfredo und ich nicht vorletztes Jahr den Mittsommertag überhaupt erst erfunden , und wo warst du damals, zu Hause bei Mama und Papa? Glaubst du wirklich, ich wäre so weggetreten, daß ich nicht weiß, was ich hier tue? Denkst du, meine Gören sind noch nicht angetörnt?« Reba ließ einen vernichtenden Blick durch die Küche schweifen, dann senkte sie den Kopf und wandte sich an ihre Tochter: »Siehst du, was du hier für einen Ärger machst? Du willst Saft? Na schön, dann trink deinen Saft – aber komm nicht wieder an und jammere bloß nicht, wenn du auf einen schlechten Kindertrip kommst, so wie neulich, als du dich in dem kleinen Zimmer unter der Spüle zusammengekauert hast und den ganzen Tag lang nicht rauskommen wolltest.«
    Sunshine sagte weder ja noch nein, sie blinzelte nicht einmal.
    »Na schön«, sagte Reba und richtete sich jetzt mit einem Lächeln auf, ihr Gesicht ein Kessel aus Tics und Falten und wilden Konstellationen von Muttermalen, »dann gib ihr die Eier und Milch , und wenn sie mir eine Zeitlang vom Leibe bleibt – denn ich brauch auch mal einen freien Tag, das kannst du mir glauben –, dann meinetwegen auch ein halbes Glas von dem Saft, okay?«
    Alfredo unterhielt sich ernsthaft mit Mendocino Bill – »Hobbits sind nur einen Meter groß, genau wie Kinder, weil es eben ein Kinderbuch ist, krieg das doch endlich mal in deinen Schädel« – und hatte nichts dazu zu sagen. Er sah Star ausdruckslos an, und die Schlange bewegte sich vorwärts. Sunshine trug ihren Teller mit Rührei und den Saft zum Tisch rüber, stellte beides ab und kam noch einmal zurück, um die Milch zu holen. Als Star wieder aufblickte, waren alle Plätze am

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