Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
hat sich das bloß ausgedacht? Klingt doch total albern, oder? Also, Freaks sind doch eigentlich etwas Merkwürdiges, die sind mißgestaltet und ...«
    »Launisch?« schlug Merry vor und beugte sich grinsend zu ihr, in der Hand den primitiv gedrehten, in der Mitte zu dicken Joint. Sie hielt ihn Star an die Lippen, während Star mit dem Pfannenheber hantierte und ihre Rühreier versorgte. »Brüllen dauernd herum? Ziehen eigenartige Grimassen? Kratzen sich ständig überall?«
    »Genau das meine ich. Und Freaks klingt schon komisch, aber was sind dann Bräute? Aufgetakelte Dinger, die sich ganz langsam bewegen müssen.«
    »Aber hübsch, oder?«
    »Ich will nicht hübsch sein.«
    Merry schnitt Brot in dicke Scheiben. Ihr Haar hing über die Hände fast bis zum Schneidbrett, und sie warf es mit einer heftigen Bewegung zurück. »Wie willst du denn dann sein – hart?«
    Die Rühreier glitten aus den Pfannen in zwei geriffelte Keramikschalen, liebevoll gestaltet von Harmony und Alice, den beiden Cheftöpfern von Drop City. Star hob das Gesicht aus dem wirbelnden Dampf und rief: »Es ist fertig!«, dann wandte sie sich wieder Merry zu. »Ja, klar – mit hart könnte ich leben. Ist jedenfalls um Längen besser als hilflos. Oder aggressiv vielleicht. Aggressiv ist sogar noch besser.«
    »Wie ein Freak?«
    Das war nun zuviel, und sie mußten kichern und sich die Augen und die plötzlich juckenden Nasenspitzen reiben, während sie Rührei servierten, als erstes für Jiminy und dann für alle übrigen Brüder und Schwestern, ganz Drop City samt etlichen Gästen defilierte vorbei, Blechnapf in der Hand. Jiminy war meistens der erste in der Schlange, weil er immer den größten Hunger hatte, er war abgemagert wie ein Überlebender der Konzentrationslager, aber er konnte mehr essen als irgendwer, den Star je getroffen hatte, einschließlich ihres Bruders Sam, der im Footballteam der Highschool im Angriff gespielt und Schuhgröße neunundvierzig hatte. Die nächsten in der Schlange waren ihr völlig fremd, und dann kamen Reba und Alfredo und ihre Kinder, Reba sah verkniffen und alt aus im Morgenlicht, ihre Haare erinnerten an vertrocknetes Kraut, die Augen waren stumpf. Wenn sie lächelte – aber momentan lächelte sie nicht, und ihre Lippen waren zwei Hautlappen, die sich aufeinanderpreßten –, wurden ihre Augen von einem ganzen Flußdelta tief eingegrabener Furchen und Falten verschlungen, als hätte sie ihren Frohsinnsquotienten bereits aufgebraucht und müßte von jetzt an für jeden Lacher zahlen. »Che mag keine Eier«, verkündete sie. »Ich glaube, weil er allergisch gegen Albumin ist. Vielleicht gibst du mir lieber etwas Toast, und ich schmiere Honig drauf oder so.«
    Che stand neben ihr und wirkte total weggetreten: dreckiges T-Shirt, dreckige Füße, ein strubbliges sonnengebleichtes Haarbüschel, dazu Augen wie Leuchtpunkte auf einem Radarschirm. »Möchtest du das gern, Baby?« fragte Reba und beugte sich zu ihm hinab. »Toast mit Honig?«
    » Ich will Honig«, meldete sich Sunshine, und ihre Stimme klang, als ob man Schorf abkratzte, leise und rauh, ohne wahre Hoffnung auf Genesung. Sie war drei Jahre alt. Sie stand dicht hinter ihrem Bruder, so dicht, daß die Wölbung ihres nackten Bäuchleins den Saum seines Hemds berührte. Der Blick ihrer glänzenden Augen war sanft und mutlos. Star versuchte ihr zuzulächeln, denn das tat man doch wohl, wenn man einem Kind begegnete – Ist sie nicht süß? Oder ist es ein Er? Oder ein Es? –, aber eigentlich fühlte sie sich in Gegenwart von Kindern immer verlegen und unsicher. Aber wie sollte sie, eine Frau, anderen Leuten erzählen, daß sie keine Kinder haben wollte, nichts für sie empfand, sie im Grunde überhaupt nicht mochte? Was sie anging, waren Kinder nur ein Klotz am Bein, puterrote, greinende kleine Außerirdische, die einem das Leben heraussaugten, und wenn eine Frau je von einem eigenen Leben geträumt hatte, so konnte sie das getrost vergessen, sobald sie Kinder bekam, denn von da an und für alle Zeiten war sie immer nur die Mutter von irgendwem. Was war denn so schlimm an Verhütung? Der Pille? Man konnte herumvögeln, was das Zeug hielt, nur die kleine Pille am Morgen durfte man nicht vergessen. Star kapierte es nicht. Sie kapierte es einfach nicht.
    Jedenfalls probierte sie ein Lächeln, und Reba warf ihr einen genervten Blick zu, ehe sie zu ihrer Tochter herumfuhr und sie am Oberarm packte, mit zwei harten Fingern wie mit einer Zange, genau wie Stars

Weitere Kostenlose Bücher