Grün war die Hoffnung
Tisch besetzt, und Jiminy erzählte irgendeine Story, fuchtelte mit der Gabel herum und zupfte an seinen losen Haarsträhnen, als wären sie lebendig geworden und bedrohten ihn. Sunshine war nirgends zu sehen. Ihr Teller war kaum angerührt zur Seite geschoben worden. Das Glas Milch stand daneben, ein gelber Sahnestreifen zeichnete den Rand nach, aber das Saftglas war leer.
Star registrierte diese Tatsache, machte im Geist einen kleinen Schnappschuß davon – der volle Tisch, ein Schwall Batikhemden, safrangelbes Rührei auf grauem Blech, funkelnde Gabeln und blitzende Zähne, aber kein Kind zu sehen und der Saft ausgetrunken –, doch der Schnappschuß wurde nie entwickelt, weil in der Schlange nun Verbie kam und ein Mädchen anbrachte, das ihre Zwillingsschwester hätte sein können, abgesehen von den längeren Haaren, und Verbie stellte sie auch als ihre Schwester Angela aus Pasadena vor, und die Teller gingen weg, die Kekse verschwanden, und der O-Saft in dem Steingutkrug wurde immer weniger. Verbie genehmigte sich eine doppelte Portion Rührei, nahm ein paar Kekse und ein volles Glas mit Saft entgegen. Star hatte ihren Saft längst getrunken, und sie spürte auch schon den ersten prickelnden Ansturm des Acid, das auf ihren Synapsen hin und her hüpfte, deshalb blendete sie Verbie kurzfristig aus, die gerade mitten in einer komplizierten Story über ihre Schwester war, irgendwas über das »Whiskey« am Sunset Boulevard, zu viele Wodka-Orange und eine Go-go-Tänzerin. Die Schwester gluckste vor Vergnügen. In der Geschichte ging es um sie, und Verbie erzählte sie, zum Frühstück, am Mittsommertag auf Drop City.
»Weißt du, was? Ich glaube, ich nehm auch ein volles Glas«, sagte die Schwester. »So stark ist es doch nicht, oder?«
»Zweihundert Mikrogramm«, antwortete Verbie. »Höchstens dreihundert.«
Und wer kam als nächster? Ronnie, der irgendwie grüblerisch und schlechtgelaunt aussah. Er hielt den Kopf gesenkt, und sein Blick huschte hinter den überdimensionalen Scheiben seiner Sonnenbrille hin und her wie Fische , aber nicht im Kescher, sondern wie ganz kleine Fischlein, wie Guppys in einem schlierigen Aquarium. Er griff nach einem Glas und streckte es ihr hin. »Rührei?« fragte sie und meinte es als Friedensangebot. Sie hatte das Rührei zubereitet, und sie nahm gern den Pfannenheber und teilte es aus, eine hart arbeitende, selbstlose und pflichtbewußte kleine Braut , und was konnte sich einer denn noch mehr wünschen?
»Das laß ich aus.«
»Toast? Kekse?« Sie probierte ein Lächeln. »Frisch gebacken. Von Maya.«
»Nur den Saft.« Er sah ihr beim Eingießen zu. »Wo bist du überhaupt die letzten paar Tage gewesen?« wollte er wissen. »Hab dich überall gesucht.«
Sie zuckte die Achseln, um anzudeuten, wie cool alles war, kein großes Ding, aber Achselzucken und Eingießen zugleich war nicht so leicht. Etwas Saft lief außen am Glas hinunter und bildete eine Pfütze auf dem Tisch. »Wir waren wandern, drüben am Mount Tam«, sagte sie, »da in den Redwoods, weißt du? Es war toll. Echt toll.«
»Du und Marco, stimmt’s?«
Sie nickte.
»Auch an dem Abend, als ich mit dem Reh gekommen bin – da hab ich die ganze Zeit nach dir gesucht.« Er nahm ihr das Glas aus der Hand und hielt es weit von sich, der Saft schäumte auf wie ein Hexengebräu, grellorange und tropfend. »Also nur du und Marco?«
»Genau, aber ich bin mir sicher, du hattest Lydia zum Trösten, und was ist mit Merry und diesem neuen Mädchen, an das du dich neulich so rangeschmissen hast, wie heißt die noch? Premstar – die immer so angetörnt ist, daß sie kaum reden kann? Bestimmt haben die dir doch über das Schlimmste hinweggeholfen?«
»Nur du und Marco, ja?« wiederholte er.
Sie starrte ihn wortlos an.
»Na schön.« Er trank den Saft in einem einzigen Zug aus, schnappte sich den Krug von der Arbeitsplatte und füllte sein Glas noch einmal randvoll. »Brauchst mich gar nicht mehr anzuquatschen«, sagte er, und zwar über die Schulter, weil er schon zur Tür hinaus war und im gleißenden Licht stand, das rings um ihn herum explodierte wie kollidierende Sterne.
Lydia saß auf der Arbeitsplatte an der Spüle und starrte in den leeren Raum, als wäre sie weit entfernt von allem – auf ihrem ganz eigenen Trip, und verwechsle ja nicht deinen Trip mit meinem –, aber Merry kam um den Tisch herum und stellte sich vor Star auf, bis die sie ansah. »Was sollte denn das eben?«
Star spürte es bis in die Zehen,
Weitere Kostenlose Bücher