Grün war die Hoffnung
auch mitten am Tag, weil die Fenster mit Pappkarton und Poster zugeklebt waren. Norm nannte es das Serail. Und der große orangerote Kater, der ja nicht blöd war, machte es sich gern in den Betten dort bequem und ließ sich die Ohren kraulen.
Vermißte er sie schon nach einer Nacht? Ärgerte er sich darüber, daß sie nicht neben ihm geschlafen hatte? Machte er sich Sorgen? War er eifersüchtig? Besitzergreifend? Er wußte es nicht. Aber er schälte sich aus dem klammen Schlafsack, streifte sich die Jeans über und kletterte barfuß die Leiter hinab, um den schlammigen Garten zum großen Haus zu durchqueren und das herauszufinden.
Er ging hintenherum, um nicht den Dreck durchs ganze Haus zu tragen, und als er die Treppe auf der Rückseite hinaufstieg, dachte er an Stiefel – er würde neue brauchen, ein neues Paar, feste Arbeitsstiefel aus dem Army & Navy-Store, wenn er den Winter oben im Norden überleben wollte –, und er hielt kurz inne, um seine schlammigen Füße im Regenwasser abzuspülen, das von der Dachtraufe herunterströmte. Drinnen wurde Tee gekocht, und die Fenster waren angelaufen. Kalt war es nicht, nicht richtig, dennoch lief ihm ein Schauer über den Rücken, als er die Tür aufstieß in der Mauer aus heißer Luft und einer komplexen Mischung aus Düften: frisch gebackenes Brot, Kaffee, Basilikum, Gemüsebrühe in einem blankgeputzten Topf auf dem Herd.
Star beugte sich über den Kochtopf, ihre Kinderhände schlossen sich um eine Portion kleingeschnittenen Sellerie. Sie lächelte ihm zu, warf den Sellerie in den Topf und ging auf ihn zu, um ihn kurz zu umarmen und ihm einen höchst flüchtigen Kuß aufzudrücken. »Wo warst du denn?« fragte er. »Du hast mir gefehlt.« Sie raunte ihm ihre Antwort zu: »Bei den Mädchen.«
Auch Verbie war da, neben ihrer Schwester mit dem etwas langen Gesicht, das zuviel Kieferpartie und zu eng zusammenstehende Augen aufwies, und neben ihnen huschten Merry, Maya und Lydia um den Herd herum, Kaffeebecher in der Hand. Die beiden hellbraunen Hunde lagen ihnen zu Füßen. »Schon was gegessen?« wollte Star wissen, wandte sich aber gleich wieder ihrem Hackbrett zu und würfelte Gemüse für den Topf.
»Ich fühl mich wie im türkischen Bad oder so«, sagte er, fand einen Platz am Tisch und strich sich die nassen Haare mit der rechten Handfläche zurück. Er zog sich einen Mittelscheitel, wie alle anderen, doch der Scheitel wirkte immer schief, als wäre er nicht richtig auf seinen Körper zentriert, aber solange er keinen bewußten Aufwand mit Kamm und Bürste trieb, bestand da wenig Hoffnung. »Nein«, sagte er auf Stars Frage, »noch nicht – aber wie spät ist es überhaupt?«
Merry antwortete für sie. »Ich weiß nicht – zwei, halb drei?« Sie goß ihm Kaffee ein, zwei Teelöffel Zucker, einen Schuß Ziegenmilch, und brachte ihm den Becher hinüber. »Wann bist du denn schlafen gegangen?«
Er hob vage die Hand. »Norm«, fing er an. »Ich hab mit Norm geredet«, und alle Frauen – sogar Verbies Schwester mit dem langen Gesicht – brachen in prustendes Gelächter aus. Ihm gefiel das. Es gefiel ihm, sie anzusehen, ihre regelmäßigen Zahnreihen, das blitzende Zahnfleisch, die zu Schlitzen verkniffenen Augen. Das Gelächter verebbte zu Kichern. »Schon gut, das erklärt alles«, meinte Star.
Und dann tunkte er warmes Brot in seinen Kaffee, fühlte sich wie eingesponnen im Kokon des Augenblicks, noch nicht recht bereit, mit irgend etwas anzufangen. Die Unterhaltung ringsherum ging weiter, leise Stimmen, der rhythmische Steptanz des Messers auf dem Hackbrett.
»Die Ziegen kommen doch mit, oder?«
»Keine Ahnung. Ja. Also, ich denke schon.«
»Brauchen die was Besonderes, wie nennt man das – einen Anhänger? Wie für Pferde, meine ich.«
»Ach, du meinst einen Ziegenanhänger?« Wieder Gekicher. »Dann fahren wir doch einfach zum Ziegenanhängerladen rüber und kaufen uns einen.«
»Ich meine das ernst.«
»Okay, ich auch. Und womit wollen wir sie füttern?«
»Die Ziegen?«
»Na klar.«
»Weiß nicht – mit Gras?«
»Im Winter.«
»Mit Heu?«
»Aber wo kriegen wir mitten in Alaska Heu her?«
»Kaufen.«
»Womit denn?«
»Na, im Tauschhandel. Genau wie hier. Weißt schon, gegen selbstgemachte Kerzen, Perlenketten, Keramik, Honig, so Zeug eben.«
»Wer soll denn da oben Perlenketten haben wollen?«
»Die Eskimos?«
»Wo wir hinfahren, gibt’s keine Eskimos. Da gibt’s eher tiefe Wälder und Hügelketten. Sieht aus wie in Minnesota
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