Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
– die Hunde würden nie wieder rascheln. Er goß sich noch ein Glas Rum ein, riß ein Streichholz an und ließ die blaue Flamme darüber flackern, ehe er es ex trank. Die Nacht war mild, immer noch mild, und die Moskitos hielten sich vielleicht an eine Art Hochzeitswaffenstillstand, war doch möglich, dachte er. Verdammt anständig von ihnen. Daran sollte er denken, wenn er das nächstemal ein halbes Dutzend auf seinem Unterarm oder an der Schläfe erschlug – leben und leben lassen, was? »Pamela«, sagte er, und ihre Augen klappten wieder auf.
    »Ich bin betrunken, Sess«, sagte sie. »Ich schätze, ich hab mich einfach betrunken.« Und dann lächelte sie, ein langsames, erschöpftes, seliges Lächeln. »Das ist deine Schuld. Einfach ein Mädchen hierher zu verschleppen und sie betrunken zu machen. Ich wette, jetzt glaubst du, ich wär leicht zu haben, was?«
    Er lächelte zurück, griff nach ihrer Hand und umschloß sie mit seiner. Er wollte nicht mehr reden, diese Energie hatte ihn jetzt verlassen, er wollte ihr nicht mehr von dem Gefühl erzählen, als er die Strecke zum erstenmal gegangen war und in einer Doppelmaulfalle für Füchse einen Wolf gefunden hatte, wie ein großer Hund, gefangen an seiner halb abgenagten Pfote, und wie der ihn aus seinen gelben Augen angesehen hatte, als könnte er nicht begreifen, wie das Land sich auf diese kalte, unnatürliche Weise gegen ihn wandte, und wie es gewesen war, als er ihn erschoß und zuerst nicht traf und dann wieder und wieder schießen mußte, bis der Pelz ruiniert war und fünfzig Kilo wildes Leben zu seinen Füßen ihr arterielles Blut verspritzten, oder wie Roy Sender ihm beigebracht hatte, einem Fischotter oder Hermelin, der in der Falle saß, erst eins mit dem Knüppel über die Schnauze zu verpassen und dann durch das weiche Bauchfell das Herz an den Sehnen herauszureißen, so daß das Tier aus dem Leben schied, ohne daß der Pelz Schaden nahm. Er erzählte ihr nicht, daß er auch nur ein Raubtier war, ein mordendes Biest, so nutzlos wie der Wind, der durch die Bäume blies, und daß er fremdes Leben nahm, um selbst am Leben zu bleiben. All das erzählte er ihr nicht. »Du willst jetzt ins Bett«, das sagte er ihr, »das seh ich doch. Du willst deinen Mann in deinen Armen. Du willst nackt sein.«
    Sie drückte sich an ihn, warf ihm einen Arm um die Schultern und legte die Stirn an seine, so daß er nichts mehr von ihr sah außer den Augen, ihren riesengroßen Augen, so hell wie Wasser. »Ich vertrau dir ein Geheimnis an«, flüsterte sie, und bei dem S lispelte sie leicht. »Ich bin leicht zu haben. Für dich. Nur für dich, Sess Harder.«
    Er war betrunken. Total betrunken, aber was hieß das eigentlich? Daß er bereit war, in die Tiefe zu gehen, in der Tiefe zu sein, in der Tiefe zu bleiben. Ihr Atem, süffig vom Wein, vom geräucherten Schinken, von seinem Bier und von dem, was ihr ganzes Wesen ausmachte, erregte ihn. Er hatte sofort einen Ständer. Sein Atem vermischte sich mit ihrem. »Was soll ich mit dir anstellen?«
    »Alles«, sagte sie.
    Am Morgen war alles wieder gut. Widrigkeiten kannte er schließlich genug – als er die Bäume für sein Blockhaus gefällt hatte und zwei Winter hindurch seine Fallenstrecke abgegangen war, nur vom Verkauf der Felle gelebt und jedes Arbeitslosengeld oder sonstige institutionellen Almosen ausgeschlagen hatte, war immer wieder das eine oder andere ganz fürchterlich schiefgegangen. Widrigkeiten härteten ab, machten stark. Er stellte sich der Herausforderung und trotzte ihr, bis er sich sagen konnte, daß es im ganzen Land keinen Mann wie ihn gab: niemand war zäher, einfallsreicher, unabhängiger. Die Hunde waren also tot. Dann würde er sich neue besorgen. Und wenn die Zeit gekommen war, wenn er Lust und Muße dazu hatte, würde er alte Rechnungen begleichen.
    Jetzt aber war es Morgen, und das Blockhaus wurde von einem dicken Sonnenbalken erhellt, der das Fenster über dem Bett fest im Griff hatte und die Honiggläser auf dem Wandbrett hinter dem Ofen lodern ließ. Er lag eine Minute lang still, Pamelas herrlich greifbarer Körper war an seinen gedrückt, so daß sie wie zwei Löffel in der Lade wirkten, und er betrachtete die Sonne auf der Wand, als wäre er sein Leben lang in einem Schrank eingesperrt gewesen und hätte dergleichen noch nie gesehen. Sie hatten ausgeschlafen, aber so war das eben im Sommer – man blieb die halbe Nacht hindurch auf, weil die Sonne weiter über den Himmel zog, und dann schlief

Weitere Kostenlose Bücher