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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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man, bis einen der nächste Tag so richtig packte. Er hatte einen Kater – und das verschwommene Gefühl von Scham und Charakterlosigkeit, das damit meist einhergeht –, aber er würde sich davon nicht anfechten lassen, nicht die Bohne! Heute sollte Pamelas Tag sein – ein Tag, der den gestrigen wiedergutmachen würde, und wenn sie den ganzen Tag nackt in der Sonne sitzen und sich Kettchen aus Vergißmeinnicht und Glockenblumen ins Schamhaar flechten wollte wie Lady Chatterley (auch eine seiner wiederkehrenden Phantasien), dann sollte ihm das recht sein. Natürlich bekam er nur vom Darandenken einen Ständer, und so weckte er sie mit dem sanften Stimulus seiner Liebe.
    Und was wollte sie gern tun, nachdem er ihr einen Teller mit Eiern, Speck und Kartoffeln serviert hatte, angebraten in leicht ranzigem Fett, dessen Herkunft sogar er in Zweifel zog? Sie wollte etwas tun, etwas anpacken, den Rest ihres gemeinsamen Lebens in Angriff nehmen, einen Stein – oder auch Baumstamm – auf den anderen setzen. »Zeig mir mal, wo der Anbau hinkommt«, sagte sie, und schon war sie zur Tür hinaus und schritt ein Zimmer ab, das sie bereits vor sich sah, einen sauberen, luftigeren Raum, der den Platz, den sie jetzt hatten, mehr als verdoppeln und ihnen vor allem ein richtiges Schlafzimmer mit einem freistehenden Bett darin verschaffen würde. Und Regale, Kilometer von Regalen, vielleicht sogar mit eingebauten Schubladen. Bugholz-Schaukelstühle, kleine Tischchen. Sie hatte diesen Kleine-Tischchen-Blick, das konnte er sehen.
    »Wir wollen natürlich die Sonne einfangen«, sagte er.
    Sie schirmte die Augen mit der Handfläche ab und grinste ihn an. Wildblumen kitzelten ihre Schienbeine. Ihre Haut glänzte wie gebutterter Toast. Er dachte, er werde nie wieder ein Bild sehen, das so perfekt in einen Rahmen paßte. »Dann bauen wir es also mit dem Fenster nach Osten hin?«
    »Hängt davon ab, ob du lieber morgens oder nachmittags Sonne hast. Natürlich sprechen wir im Winter dann von Mondlicht. Warst du jemals im Winter hier draußen – außerhalb einer Ortschaft, meine ich?« Jetzt dachte er an Jill. Jill will weg. Jeder wollte hier weg, wenn die Nacht anbrach, die Nacht, die nicht mehr aufhörte, wenn die Wände des Blockhauses zu schrumpfen schienen, bis es so war wie in einer dieser Flash-Gordon-Folgen, wo die Wände aufeinander zukamen, um einen wie im Schraubstock zu zerquetschen. Flash hatte allerdings immer fliehen können. Das tat auch die Mehrheit der Frauen, die nach Alaska kamen, weshalb ja auch auf jede Frau in Boynton drei Junggesellen mit Buschkoller kamen. Und das erklärte, warum Howard Walpole, Richie Oliver und überhaupt fast jeder zweite geschieden war. Die Nacht raubte einem die inneren Kräfte, so daß die meisten Menschen, vor allem wohl Frauen, nur auf äußere Ressourcen zurückgreifen konnten, um durchzuhalten – Einkaufen, Klatsch und Tratsch und Restaurants mit schönen Leuchtern an der Wand, um es konkret zu benennen.
    »Ich kenne Boynton«, sagte sie. »Hey, ich bin in Anchorage geboren .«
    Er wollte ihr erklären, daß das nicht genügte, daß das gar nichts hieß, denn in der Stadt, in jedem letzten Kaff konnte man immer noch in die Kneipe gehen oder ins Kino oder fernsehen, und klar, wenn man doch mal die Sonne sehen wollte, dann flog man kurz nach Hawaii, sofern man die Kohle dazu hatte, aber jedenfalls war die Tatsache, daß es vor den doppelten Fensterscheiben der zentralbeheizten Wohnung Tag und Nacht dunkel war, nicht mehr als einen flüchtigen Gedanken wert. Er wollte ihr von dem Pärchen erzählen, das Jill damals gekannt hatte: sie hatten irgendwo im Zuflußgebiet des Porcupine River in einer alten Bergmannshütte die Pioniere spielen wollen und sich am Ende aus schierer Langeweile beinahe totgevögelt, vier-, fünf-, sechsmal am Tag, bis sie beide so wundgescheuert waren, daß ihre Haut an rohes Rumpsteak erinnerte, und als sie im Frühling wiederauftauchten, ließen sie sich scheiden und suchten sich vermutlich Arbeit in der Süßwarenindustrie. Aber er hielt den Mund, weil sie so hübsch und frohgemut war und weil es weder der rechte Ort noch der Zeitpunkt war. Es war Zeit für Optimismus, für die Liebe – für Anfänge, nicht für Schlüsse.
    »Also, ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich glaube, ich hab lieber morgens Sonne. Wie steht’s mit dir?«
    »Ich steh auf Nachmittagssonne, und deshalb hab ich auch das kleine Fenster nach Westen da drüben eingesetzt, andererseits kommt das

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