Grün war die Hoffnung
und Norm den Bus in Gang setzte, um in Richtung der Lichter Kanadas davonzubrausen. Nur Star blickte noch einmal zurück. Das letzte, was sie sah, war Lester, der sich über den Lincoln beugte, und einen Mann in gelber Regenjacke, der ihn abtastete.
20
Obwohl sie den Bus mit Bleifuß vierundzwanzig Stunden pro Tag quer durch Kanada trieben, dann über die unendlichen Weiten aus aufspritzendem Schotter, die sich Alaska Highway nannten, und obwohl sie nur zum Tanken und für die körperlichen Bedürfnisse von einunddreißig Klaustrophobikern anhielten, machte das alte Gefährt nicht schlapp. Nach Marcos Zählung hatten sie dreimal eine Panne, die erste knapp vor Prince George, die zweite an der höchsten Stelle des Muncho Pass und dann noch eine mitten in der Wildnis, aber Mendocino Bill und Tom Krishna zeigten sich jedem Problem gewachsen, und sie lagen nie länger als ein bis zwei Stunden fest. Die Leute spielten Karten, lasen, hingen herum, klimperten auf der Gitarre. Sie vögelten unter einer Decke, reichten Becher mit Kaffee, Coca-Cola und Kräutertee herum, von Sitz zu Sitz und Reihe zu Reihe, kifften was, nickten ein, wachten wieder auf und nickten von neuem ein. Norm schlief fast überhaupt nie. Und wenn, dann hing er über einer der Sitzbänke, als hätte man ihm die Knochen herausgerissen. Marco und Alfredo lösten ihn am Lenkrad ab und schroteten durch eine Landschaft, deren Eintönigkeit einem in den Augen weh tat. Sogar Pan sprang einmal ein, ließ Star den Studebaker fahren und trat den Bus durch die letzten Stunden vor Morgengrauen, als niemand sonst die Augen offenhalten konnte. Sie trafen weder Mounties noch Radarfallen, es waren überhaupt nirgends Bullen zu sehen. Nur die Landschaft zeigte ihre Krallen. Inzwischen wollten alle nur noch ankommen, nichts weiter.
Vanderhoof, Smithers, Cranberry Junction, Johnson’s Crossing, Whitehorse, Marsh Lake, Destruction Bay, Burwash Landing, alles nur kleine Flecken auf der Karte, hallo und schon vorbei. Bei Wonowon sahen sie einen riesigen Sattelschlepper, dem der Auflieger seitlich weggerutscht war, im Schotter daneben lag ein hingestreckter toter Elch, und ein Kalb von der Größe eines Zugpferds sprang wahnsinnig vor Kummer um den Leichnam herum. An beiden Ufern des Donjek River brannte es, die Flammen rasierten die Baumwipfel ab, loderten hoch in den Nachthimmel, und kein menschliches Wesen war in der Nähe. In Haines Junction legten sie einen Boxenstopp ein und ließen aus Versehen Jiminy dort zurück, weshalb sie rund hundertfünfzig Kilometer zurückfahren mußten. Er stand immer noch an der Tankstelle, im Regen und mit ausgestrecktem Daumen, in den Augen einen Blick von geradezu kosmischem Unvermögen. Vor den Fenstern flitzten die Flüsse als graue Streifen vorbei: der Takini, der Goodpaster, der Tetsa, der Sikanni Chief, der Prophet, der Rabbit und der Blue River.
Als sie Alaska gesund und munter erreichten, so unwahrscheinlich das beim Aufbruch gewesen sein mochte, der Bus immer noch auf seinen zehn Rädern dahinrollte und der Studebaker und Harmonys Käfer brav hinterherzockelten, während sie alle sangen, Sandwiches kauten und voller Hoffnung waren, da hielten sie am Straßenrand, bildeten einen Kreis, setzten sich hin, gaben einander die Hände, und Reba und Tom Krishna stimmten einen Gesang an. Das Ganze spielte sich an einem Ort namens Northway Junction ab, rund siebzig Kilometer hinter der Grenze und den Zöllnern, die in Flanellhemden herumgesessen hatten, Kaffee aus Styroporbechern schlürfend, und jedermann einfach durchgewinkt hatten: willkommen in den USA. Rebas Kinder hängten Gottesaugen auf, die sie aus Wollfäden und Zweiglein gebastelt hatten, und Alfredo zeichnete mit einem krummen Ast ein gewaltiges Mandala in die Erde, wobei er über dem Muster hin und her ging wie ein Wünschelrutengänger auf der Suche nach Wasser, bis es sich im hellbraunen Waldboden dunkel abzeichnete. Man entzündete Kerzen und Räucherstäbchen und ließ eine von Harmonys großen getöpferten Bongs herumgehen.
In der Luft lag der schwere Duft von regensatter Vegetation, von Waldbeeren im Überfluß und einer Sonne, die all diese Feuchtigkeit aufsog und sie dann wieder zurückgab, jeden Tag von neuem. Es war ein Duft, der Marco in seine Kindheit an der Ostküste zurückversetzte, und erst jetzt wurde ihm klar, daß dies nicht mehr der Westen war, das war nicht Kalifornien oder Oregon – das hier ähnelte sehr stark der Gegend, in der er aufgewachsen
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