Grün war die Hoffnung
Vögel zwitschern und die ausgeflippteste, fröhlichste Musik bis zu den Baumwipfeln hinauf abhebt.«
Pamela schlug das Angebot aus. »Wir haben noch was zu erledigen«, sagte sie. »Und zu Fuß ist es gar nicht mehr weit, ehrlich, nur ein paar Kilometer.«
In diesem Moment hielt einer der Hippies, ein Bursche mit einem roten Tuch um den Kopf und einem blutbefleckten Hemd, Sess eine Feldflasche mit Wein hin, und Sess warf den Kopf in den Nacken und nahm einen kräftigen Zug davon, ehe er sie an Pamela weiterreichte. Er sah sich um. Die Hippies grinsten ihn an. Der Neffe sah aus, als wäre er in Schlagsahne getaucht. Joe Boskys Karre war inzwischen Treibgut – oder vielleicht Strandgut? Auf Pamelas Lippen glänzte der süße Wein.
»Klar«, sagte Sess. »Klar doch, wir fahren mit euch.«
Im Three Pup befand sich die übliche Staffage von Stammgästen – Skid Denton brabbelte französische Gedichte in sein Schnapsglas, Lynette stand hinter der Theke, die Arme vor der Brust verschränkt, wie ein Riegel, dessen Schlüssel verlorengegangen war, Richie Oliver und sein Trostpreis soffen sich in eine andere Dimension hinüber und kauten selbstvergessen ihre Erdnüsse. Iron Steve beugte sich über den Pooltisch, neben sich einen wuchtigen Mann mit Adlernase, der nur ein Tourist sein konnte, weil Sess ihn nicht kannte, und Tim Yule, einen frischen Popel an der Nasenspitze und die Papiernelke, die er bei der Hochzeit getragen hatte, immer noch im Knopfloch, stand auch bei ihnen und klammerte sich an sein Queue, als wäre es am Boden festgeschraubt. Die Kneipe roch, wie sie immer roch, wie ein alter Stiefel voller Hackfleisch, gebratenen Zwiebeln und Ofenasche, den man ein paar Tage lang in die Sonne gestellt hatte. Aus der Musicbox ergoß sich das übliche Gedudel von Country-Rührseligkeit, und in der Luft torkelten die üblichen Kneipenmoskitos.
Sess stürmte zur Tür herein wie ein Hurrikan, fröhliches Geplapper und gute Laune, er hielt Pamela an der einen Hand und die Hippiefeldflasche in der anderen, und er fühlte sich bleischwer und zugleich leichter als die Luft, und was tat es schon, daß der speckige Fettsack von Neffe ihm dicht auf den Fersen folgte und die restlichen Typen auch? Es waren schließlich Menschen, oder etwa nicht, genau wie jedermann sonst? Dreckiger vielleicht. Und fauler. Sie rauchten Hasch und bumsten wie die Hunde. Aber die Welt veränderte sich eben – Männer hatten Haare wie Frauen, Frauen trugen Hosen wie Männer und ließen ihre Titten herumtanzen, und wer sollte dagegen wohl was haben? Aufgewacht, Boynton, dachte er, das hier ist die moderne Welt. Aber er dachte das alles nicht so klar zu Ende, jedenfalls würde ihn Pamela bestimmt nicht nerven – ein Bier, das war alles, ein Bier, dann würden sie in der Baracke am Fluß übernachten und gleich am nächsten Morgen den Fluß hinauffahren, und sollten doch Wetzel Setzler und die übrigen Stadträte sich wegen dieser Busladung Hippies den Kopf zerbrechen, die garantiert nicht mal einen Elch von einem Karibu unterscheiden konnten. Oder einen Hasen von einem Eichhörnchen, vermutlich.
Tammy Wynette verklang, und die Musicbox spielte Roger Miller – »King of the Road«, einen Song, den Sess so unsagbar und abgrundtief haßte, daß er jedesmal irgend etwas kaputtschlagen wollte, wenn er ihn hörte, und er mußte ihn hier andauernd hören –, und in der kurzen, zischenden Zäsur zwischen den Platten wandte sich jedermann im Raum, sogar Tim Yule, zur Tür um. Herein kam der Neffe, laut grölend, hinter ihm der mit dem Blut auf dem Hemd, dann die kleine Blondine, dann ein blasses Ungeheuer in einem verschmierten Overall und die übrige schillernde, kichernde Parade, die den Raum gefüllt hatte, noch ehe Roger Miller von einer schwachsinnigen Strophe zur nächsten torkeln konnte. »Was zu trinken für alle hier!« brüllte der Neffe und legte einen Schein auf den Tresen. »Die erste Runde geht auf Roy Sender – den legendären Roy Sender! Kennt irgend jemand hier Roy Sender?«
Keiner sagte ein Wort. Niemand rührte sich. Alles konzentrierte sich auf Roger Miller, als säßen sie in der Carnegie Hall und lauschten David Oistrach. Tim Yule räusperte sich. »Sag mal, sind das Bekannte von dir, Sess?«
Zur Antwort ging Sess quer durch den Raum zur Musicbox hinüber und versetzte ihr einen Tritt, daß die Nadel mit einem langgedehnten Knistern über die Platte rutschte. Dann zog er einen Vierteldollar hervor, steckte ihn in den Schlitz und
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