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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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irgend etwas über Vorhänge oder den Preis von Kalbfleisch brabbelte, und plötzlich, in einem Augenblick des funkelnden Triumphs, erscholl aus dem statischen Rauschen des Autoradios eine Sologitarre. Musik war so notwendig wie essen, wie Wasser, wie Luft, und Star befand sich mitten in der Breakthrough -Stimmung, aber sie hatte nichts als ihre eigene holprige Version, die ihr wie Fusseln an den Lippen klebte.
    Man kann nicht alles haben, sagte sie sich. Niemand bekam jemals alles.
    Reba und Merry arbeiteten neben ihr im Gemüsegarten, den sie mit Ziegenmist und Fischköpfen gedüngt hatten, dem Garten, den sie nach Norms Worten getrost hätten vergessen können, weil die Anbauperiode hier oben maximal einhundert Tage dauerte, und volle dreißig davon lagen im Juni, der längst aus und vorbei war. Aber sie – die Frauen, alle Frauen – hatten sich gedacht, wieso versuchen wir’s nicht? Vielleicht haben wir Glück. Vielleicht würde der Frost dieses Jahr etwas später kommen, würde der Sonnenschein rund um die Uhr die Prozesse von Keimung, Wachstum und Reife auf magische Weise beschleunigen. Sie schufteten wie die Wahnsinnigen, um bis zum zehnten Juli ein Stück Land zu roden und zu bepflanzen, wobei sie vor allem Herbstgemüse wählten – Rosenkohl, Rüben, Blumenkohl –, aber sie probierten auch Kartoffeln, Zuckererbsen, Zucchini und Kürbisse. Und Cannabis natürlich. Die Graspflanzen waren bereits einen knappen Meter hoch und wuchsen so schnell, daß man beinahe zusehen konnte, und selbst wenn sie nicht mehr richtig zum Blühen kamen, würden auf jeden Fall die Blätter und Stengel bleiben.
    Jetzt rollten sie die breiten schwarzen Plastikfolien aus, für die Lydia und Harmony nach Fairbanks gefahren waren und die Ronnie dann im Motorboot flußaufwärts gebracht hatte. Das Zeug kam in großen Rollen, knapp einen Meter breit und dreißig Zentimeter im Durchmesser, mit regelmäßiger Perforation, damit man ein Stück abreißen konnte, um den Mülleimer in der Garage der Doppelhaushälfte auf dem Tausend-Quadratmeter-Grundstück im baumgesäumten Stadtrandbezirk damit auszukleiden. Aber Mülleimer hatten sie hier gar nicht – oder doch, aber die dienten alle dazu, solche Dinge wie Linsen, Reis und Haferflocken vor den Mäusen zu schützen, die überall herumwuselten –, sondern sie verwendeten lange Streifen der Folie zum Abdecken der Erde rings um die Pflanzen, ein Trick, den sie von Pamela Harder gelernt hatten.
    Das war übrigens etwas völlig Unerwartetes: Pamela. Sie und Star hätten verschiedener nicht sein können – Pamela war älter, in Alaska geboren und aufgewachsen, sie nahm keine Drogen, jedenfalls bis jetzt nicht, und sie hatte noch nie von The Band oder von Crosby, Stills & Nash gehört, geschweige denn von Abbie Hoffman und den Yippies, von Gloria Steinem, den Konzerten im Fillmore Ballroom, von Purpfeifen, »Mellow Yellow«, Keith Richards, nicht mal von Mick Jagger –, und dennoch, wenn Star das Kanu für eine Stippvisite flußabwärts lenkte, fühlte sie sich immer, als besuchte sie eine liebe Schwester, so entspannt war alles. Während Sess Holz fällte, die Hunde fütterte oder irgendwo jagen ging, setzten sich die beiden mit einer Kanne Tee an den Picknicktisch unten beim Fluß und redeten, und das war nett, weil Pamela nach Gesellschaft lechzte, und für Star war es eine Abwechslung von der Routine, von den immer gleichen Gesichtern und dem immer gleichen Gerede und Genörgel.
    »Du darfst auf keinen Fall den Eindruck bekommen, ich wäre hier nicht glücklich«, hatte Pamela gesagt, als Star das erstemal vorbeigeschaut hatte; sie mußte mal weg von der Kommune, wollte ein Stück mit dem Kanu spazierenfahren, hatte dann den Rauch gesehen, die Hunde gehört und vorgehabt, einfach mal hallo zu sagen, warum auch nicht, schließlich waren sie beide Frauen, oder? Sie tranken Tee miteinander, und Pamela schob einen Teller mit selbstgebackenen Schokokeksen über den Tisch und goß ihnen noch einmal ein. »Denn ich bin glücklich. Ich bin die glücklichste Frau auf der Welt. Es ist nur, daß Sess – na ja, er ist eben daran gewöhnt, hier draußen ganz allein zu sein, und manchmal gerät er so in ein Ja-nein-Schema, dann kann ich zu ihm sagen, was ich will, er nickt einfach nur und checkt ab, ob ich ja oder nein oder vielleicht hören will. Verstehst du, was ich meine?«
    Der Tee war der reinste Treibstoff, süß und so stark, daß einem die Zähne weh taten. Star sah über den Fluß, wo die

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