Grün war die Hoffnung
von mehreren Sachen zugleich bedröhnt. Als der Topf mit Kakao herumging, war er auf etwas wackligen Beinen zum Flugzeug gepilgert und mit einer Flasche Hudson-Bay-Rum zurückgekehrt, die er auf den Tisch gestellt hatte, und einige folgten seinem Beispiel und besserten ihren Kakao damit auf. Als Antwort auf Norms Frage räusperte er sich jetzt und beugte sich vor, um auf den Boden zu spucken, ehe er sein wuchtiges Gesicht wieder über den Tisch brachte. »Die ist in Fairbanks«, sagte er.
»In Fairbanks?«
Ein Murmeln erhob sich in der Runde. Wenn das stimmte, war es eine beunruhigende Nachricht, nämlich die erste Fahnenflucht, der erste Verrat am Ideal. Die Leute warfen sich fragende Blicke zu – wer würde der nächste sein? Wo würde es aufhören? Stürzte jetzt das ganze Projekt zusammen? Konnte es das heißen?
»Wie meinst du das, in Fairbanks?«
Die Worte schienen Joe Bosky in der Kehle zu kleben: »Ich hab ihr einen Job besorgt, in so einem Laden, den ich da kenne. Einem Saloon. Sie wird da tanzen.«
Dazu Verbie: »Aber nur bis zum Winter, hat sie mir gesagt. Um ein bißchen Geld zusammenzukriegen, für uns alle – sie macht das für uns alle hier –, dann kommt sie nach Drop City zurück. Das versprech ich, hat sie gesagt – sag ihnen, das versprech ich.«
»Und falls noch ein paar von euch Mädchen interessiert sind«, sagte Bosky, und hier wandte er sich direkt an Star und richtete seinen nicht vorhandenen Blick auf sie, »dann kann ich das arrangieren, denn der Herrgott weiß, wie ausgehungert die hier alle nach Frauen sind. Und Lydia, ich meine, die ist doch ein Naturtalent, mit diesem Luxuskörper ...«
»Du meinst oben ohne, ja?« fragte Maya.
»Alles runter bis auf den Tanga, meine Beste, und nur weil total nackt in diesem Staat immer noch illegal ist, aber ich sag euch, Lydia fährt an einem Abend mehr an Trinkgeld ein, als ihr alle zusammen in einem ganzen Monat an Sozialhilfe oder Essensmarken kriegt, oder was sie euch da austeilen.«
Alle sahen zu Norm, ob sie sich dessen bewußt waren oder nicht. Und Norm am Kopf des Tisches, wallendes Haar unter dem Stirnband, die vom Hals baumelnde Kuhglocke wie eine Käsereibe, setzte seinen Kakaobecher ab und leckte sich den Schnurrbart, bis der letzte süße Rest vertilgt war. »Also schön«, sagte er schließlich. »Ist doch cool. Also, ich denke, damit können wir leben, oder, Leute? Lydia zeigt also her, womit Gott sie geschaffen hat, und streicht ein bißchen Cash für Drop City ein – wieso sollten wir ein Problem damit haben?«
Verbies Entgegnung schlug zu wie ein Peitschenhieb. »Das ist Ausbeutung.«
»Ausbeutung von wem?«
»Des weiblichen Körpers. Es ist sexistisch. Ich meine, ich sehe keinen von euch Männern in so einem Laden tanzen, in eurer Unterwäsche oder was ...«
»Weil niemand darauf scharf ist«, gab Norm zurück, und jetzt lachten alle, Bekenntnisse machten die Runde, und dann meinte Sky Dog, er würde es tun, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Ach ja?« fauchte Verbie. »Warum tust du’s dann nicht gleich hier? Warum steigst du nicht auf den Tisch und zeigst uns mal ein bißchen was? Komm schon, laß sehen, was du hast, großer Junge, komm schon ...«
Sky Dog erhob sich unsicher von der Bank und begann an seinen Hemdknöpfen zu nesteln, während erste anfeuernde Pfiffe losgellten, aber nachdem er das Hemd herunter hatte, schien er ein wenig den Faden zu verlieren und setzte sich wortlos wieder hin.
»Feigling«, rief Merry.
»Seht ihr, was hab ich gesagt«, sagte Verbie.
Und dann nahm Premstar, die neben Norm thronte wie eine bemalte Schaufensterpuppe, Premstar die Schönheitskönigin, die weitaus besorgter um ihre Fingernägel, ihren Lippenstift und Eyeliner war als um irgend etwas, was auf Drop City jemals abging, ob in Vergangenheit oder Gegenwart, zum allerersten Mal an diesem Abend an der Unterhaltung teil. »Was ist eigentlich mit den Mitbringseln?« wollte sie wissen. »Die ganzen Sachen, die wir bei Pan bestellt haben, meine ich. Habt ihr die alle vergessen oder was?«
Unglücklicherweise wählte Ronnie ausgerechnet diesen Moment, um von seinem Zelt her über die Wiese zu schlendern, die Sonne entflammte seine Haarsträhnen, er wiegte sich in den Hüften, als marschierte er auf einem Laufrad, und am Tisch verstummte kurzfristig alles, um sein Herannahen zu verfolgen. Jeder dachte dasselbe. Pan hatte die ganze Zeit in seinem Zelt gepennt, aus den Augen, aus dem Sinn, aber inzwischen war das Boot mit
Weitere Kostenlose Bücher