Grün war die Hoffnung
Zufrieren ihnen nichts anhaben würde, in seinen Netzen hängengeblieben. Und Karnickel. Die Neugeborenen des Jahres waren wie verrückt nach allem Grün, um sich Winterfett anzufuttern, und so einfach zu fangen wie Maikäfer. Die Vorratskammer war voll, das Beerenobst gepflückt, das Gemüse eingelegt, und hier war seine Frau, sein Sahnehäubchen, saß vor ihm auf der Bank, der lange Bogen ihres sportlichen Rückens erhob sich aus dem Anker ihrer Hüfte und Taille, sie handhabte das Paddel mit kantigen Schultern und kräftigen Armen, und es war kein Pieps von ihr zu hören.
Sie waren auf dem Weg nach Boynton, wollten von dort nach Fairbanks, in Richard Schraders Wagen, falls sie den bekamen, und da hatte er keine Zweifel, es sei denn, ihm war die Hinterachse weggebrochen, was allerdings, wenn man es recht bedachte, nach seiner letzten Fahrt in der Karre durchaus im Rahmen des Möglichen lag. Pamela wünschte sich ein paar Tage lang Abwechslung, und er war einverstanden, noch eine letzte Dosis der Großstadt, bevor der Winter hereinbrach. Sie konnten es beide kaum erwarten, ein wenig von dem Geld zu verpulvern, das ihnen in Form von zerknitterten Scheinen im Innern diverser Blankokuverts oder Hochzeitsklappkarten zugekommen war, außerdem gab es natürlich Dinge, die sie dringend brauchten, zum Einrichten des neuen Zimmers und zum Auffrischen ihrer Vorräte an Bohnen, Reis, Tee, Kaffee, Zigaretten, Nudeln und so weiter. Und Zahnpasta, auf keinen Fall die Zahnpasta vergessen. Er hatte sich mal einen vollen Winter lang die Zähne mit dem Zeigefinger geputzt und ein andermal mit einer Mischung aus Natron und Salz, die der Bürste glatt die Borsten weggefressen hatte. Bald würde der Thirtymile unpassierbar sein, danach müßten sie warten, bis er völlig zugefroren war, um mit den Hunden über das Eis zu fahren, und dann wäre ihr Ziel sicherlich nur Boynton, es sei denn, sie würden eine Hypothek auf das Grundstück nehmen und irgendwohin fliegen, wo die Sonne mehr war als ein vages Gerücht.
Da waren sie also, mitten auf dem Fluß. Mit kalten Händen. Aber bald würde es warm genug sein, im Nougat und im Three Pup, und wenn sie die Straße nach Fairbanks unter den Reifen hatten, würde die Sonne schon hoch am Himmel stehen und es wäre mit Temperaturen über fünf, vielleicht sogar um die zehn Grad zu rechnen. Eine Formation laut quakender Trauerenten sauste über sie hinweg, Richtung Süden, intelligente Vögel, machten sich auch aus dem Staub, solange es noch ging. Sein Paddel traf auf Treibeis. »Wie läuft’s bei dir da vorn, Pamela?« fragte er. »Kalte Hände?«
Sie sah über die Schulter, lächelte ihn breit an, zeigte ihm das tiefe Grübchen in der Wange, die geraden weißen Zähne und das Kleinmädchen-Zahnfleisch. »Alles super«, sagte sie zur Antwort auf die erste Frage. Und »Ein bißchen schon«, auf die zweite.
Er liebte sie. Liebte sie mehr als alles, was er sich vorstellen konnte. »Nur nicht aufgeben«, sagte er voller Stolz auf ihr Durchhaltevermögen, glühendem Stolz. »Wenn wir erst im Three Pup sind, geht der erste Schnaps auf mich.«
»Wie selbstlos von dir«, gab sie zurück, und ihr Lachen flatterte über den Fluß, traf die Uferböschung und hallte zu ihnen zurück.
Als die weitgeschwungene Kurve in Sicht kam, hinter der Boynton lag, hatten sie beide die Pullover ausgezogen, und ihre Hände waren längst wieder warm. Es war sogar lauer geworden als erwartet – gut fünfzehn Grad, schätzte er –, und auf den letzten Kilometern hatten sie an beiden Ufern ein herrliches Herbstfarbenspiel genießen können. Sein Blick ging spähend voraus – immer spähte er, der Blick eines Jägers –, als plötzlich eine Bewegung im flachen Wasser bei der Mündung des Last Chance Creek seine Aufmerksamkeit erregte. Er behielt das Paddel nach dem letzten Schlag im Wasser und führte das Kanu im Bogen parallel zu dem Flüßchen, leicht verwirrt, denn das da war weder Elch noch Bär, noch eine Biberfamilie, kein unterspülter Baum, dessen Äste in der Strömung schaukelten, und auch kein anderes Boot – es war etwas Unerwartetes, eine jener Abweichungen der Natur, die das Leben hier draußen in der Wildnis so interessant gestalteten, denn jedesmal, wenn man glaubte, man hätte schon alles gesehen ...
»Wer watet denn da im Bachbett?« fragte Pamela, und anscheinend waren ihre Augen schärfer als seine, wer hätte das gedacht? Dann aber konnte auch Sess es – sie – erkennen. Er sah die beiden
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