Grün war die Hoffnung
Vorplatz seiner Hütte rollen. Der Staub wehte ihm hinterher. Er knallte den Wahlhebel in die Parkstellung, ließ den Motor noch kurz aufheulen, dann drehte er den Zündschlüssel um. Als erstes hörte er die Musik, markerschütternder Gesang über Gitarre, Schlagzeug und einem elektrischen Piano, so voll aufgedreht, daß die Lautsprecher nicht ganz damit fertig wurden. Weiter rechts sah er die zwei Wagen stehen, den VW-Käfer und den Studebaker; beide dürften seit einem Monat nicht mehr bewegt worden sein. Im Windschatten des Busses ragte der Brennofen auf und verströmte seine Hitze durch die Ritzen, so daß Sess den Anblick seiner Hütte leicht geriffelt erlebte; sie brauchte im übrigen dringend einen frischen Anstrich. Der Bus dagegen brauchte keinen Anstrich. Hier war jemand sehr fleißig gewesen, und falls sie eine einzige Farbe des Spektrums vergessen hatten, wäre Sess nicht eingefallen, welche.
Die Luft war sauber, die Sonne ging ihrem Tagwerk nach. Es war wärmer, als es hätte sein dürfen. Er stieg aus dem Pickup, mitten hinein in den Sturm der Musik, ging zum Bus und klopfte an das übermalte Glas. Er klopfte noch einmal. Nach einer Weile begann er mit der Faust darauf einzuhämmern, und es war ein Glück – ein Glück für sie –, daß er keinen zweiten Schnaps getrunken hatte. »Aufmachen!« rief er. »Wer da auch drin ist, macht gefälligst auf!«
Er spürte, wie der Bus kaum merklich in den Federn schwankte, dann öffnete sich zischend die Tür, und der Kerl, den alle den irren George nannten, stand auf der obersten Stufe, in eine schmutzige grüne Wolldecke gewickelt. Er war barfuß, und seine Haare sahen aus wie eine zweite Wolldecke, oder nein, es erinnerte an das Zeug, aus dem Jill damals in ihrer Wohnung Untersetzer für die Blumentöpfe gebastelt hatte, eine Art Jute, rauh und filzig, und aus den strähnigen Büscheln ragte ein halbes Dutzend ausgebleichter Tierknochen hervor. »Oh«, sagte der irre George in dem Versuch, Sess’ Gesicht einzuordnen. »Oh, hallo!«
»Hör mal zu«, und Sess fühlte einen Ärger in sich aufwallen, der in krassem Gegensatz zur Schwere des Vergehens stand, »du und deine Leute, ihr müßt hier verschwinden. Allesamt. Und nehmt gefälligst euren ganzen verdammten Dreck mit.«
Der irre George vollführte eine vage Gebärde. Er sah nicht aus, als könnte er sich noch weitere dreißig Sekunden auf den Beinen halten. »O Mann«, sagte er nach längerer Pause, und Sess verstand ihn kaum bei dem Radau aus den Lautsprecher, »du redest besser mit Harmony. Genau ... Mit dem Freak solltest du mal reden ...«
Eine glückliche Fügung für alle, daß in diesem Augenblick Harmony um die Vorderseite des Busses kam, beide Hände klebrig von Ton. Soweit Sess das beurteilen konnte, war der Mann etwa in seinem Alter. Er trug das dichte blonde Haar so lang wie eine Frau, aber der wilde rötliche Fu-Manchu-Schnurrbart glich den Effekt einigermaßen aus, und bei seinen relativ seltenen Zusammentreffen mit der Sippe hatte Harmony auf Sess immer den vernünftigsten Eindruck von allen gemacht – jedenfalls war er ein weit angenehmerer Gesprächspartner als Senders Neffe, der dazu neigte, in Romanen zu reden, als würde er pro Wort bezahlt. Harmony wirkte überrascht. Er wischte sich die Hände an der Jeans ab, legte den Kopf schief und betrachtete Sess über den Rand seiner Drahtbrille. Eben wollte er wohl sagen: »Hey, was tut sich so, Alter?« – Sess hätte seine Farm darauf verwettet –, doch ehe er den Mund aufbekam, legte Sess mit seiner Gardinenpredigt los, in der er sämtliche Übertretungen der Hippies aufzählte, ihn über die öffentliche Meinung unterrichtete und ihm unmißverständlich klarmachte, er müsse dafür sorgen, daß sie allesamt einpackten und sich einen anderen Platz suchten, um ihre Töpfe zu töpfern, ihre Musik dröhnen zu lassen und ihr Marihuana und LSD zu rauchen.
Sess wußte nicht genau, wie lange er gequasselt hatte, aber nach einer Weile gesellte sich zu Harmony dessen Frau oder Freundin oder was sie auch sein mochte, eine dünne, hinfällige kleine Figur mit entrücktem Lächeln, der üblichen irren Frisur und Brüsten, die zu einer doppelt so großen Frau gepaßt hätten, und die beiden standen einfach vor ihm und hörten ihm andächtig zu wie Studenten in einem vollbesetzten Hörsaal. Gerade als er fertig war, als er sich alles von der Seele geredet hatte und langsam daran dachte, wieder in den Pickup zu steigen, Pamela abzuholen und mit
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