Grün war die Hoffnung
wurden in den Dosen auf dem Küchenregal langsam hart. Sie dachte an die Fallen, an die Füchse und Coyoten, die sich das eigene Fleisch, die Knochen und Sehnen durchnagten, um den stählernen Fängen wieder zu entrinnen, an das Bärenjunge, das Sess zum Waisen gemacht hatte, dabei war das Jungtier noch zu klein, um sich eine Höhle zu suchen, und deshalb dazu verdammt, an Erschöpfung und vor Kälte zu sterben, wenn die lange Nacht hereinbrechen würde. »Ja«, sagte sie schließlich, »ja, das sind sie.«
Und dann war alles wieder in Ordnung. Sie raffte das Bärenfell zusammen und warf es über das Gestell zum Lachsräuchern wie ein vor Dreck starrendes Badetuch, verscheuchte die Fliegen vom Tisch und holte drei Trinkbecher und eine Flasche von Sess’ Rumvorräten heraus. »Übrigens war Iron Steve gestern zum Abendessen hier, und ratet mal, über wen er pausenlos geredet hat?« Und das war doch mal ein Gesprächsthema. Der Wein in der Flasche wurde weniger, der Rum machte die Runde, und die heulenden Hunde von Klatsch und Tratsch bellten vor jedem Baum.
Es war schon spät am Nachmittag, als Merry und Star zum Ufer wankten, dabei stießen sie sich immer wieder von den Bäumen ab, wie Flipperkugeln, die von einem Federpuffer zum nächsten prallten, in einem Flippergerät, so groß wie die ganze Welt, und Pamela sagte: »Ein Glück, daß ihr nicht Auto fahren müßt«, und darüber lachten sie sich alle drei kaputt, bis sie Kopfweh hatten und das Gefühl bekamen, sie hätten genug gelacht, zumindest für diesen Tag. Pamela sah ihnen nach, als sie sich abstießen, sah das Kanu unsicher in der Strömung schaukeln, bis sie das Gewicht ausbalanciert und die Paddel eingetaucht hatten, so daß der Bug sich stromaufwärts wandte. »Seid vorsichtig!« rief sie, und sie wollte gar nicht an ein Kentern denken, an den eisigen, raschen Griff des Wassers. Sie winkte, und Star, die heftig gegensteuerte, um das Kanu gerade auszurichten, ließ ihr Paddel kurz los und hob die Hand, dann wurden sie kleiner und immer kleiner, bis das Land sie verschluckt hatte.
Pamela blieb lange Zeit am Ufer stehen und starrte auf die Bäume, die alle gleich aussahen, auf das Wasser, das sich immer wieder die gleichen Wege suchte, und sie fühlte etwas, was sie noch nie zuvor gefühlt hatte: Immanenz. Eine Kraft, die ihr den Verstand raubte und sie zu einem Nichts reduzierte. Sie war nicht Pamela Harder, die da am Rand des Thirtymile River stand. Sie war auch keine frisch vermählte und frisch verlassene Braut. Sie war gar nichts. Der Himmel türmte sich mit einem Zischen über ihr auf, das an das Schließen einer Luftschleuse erinnerte, Wolken zogen herauf und verdunkelten die Sonne, und sie stand immer noch dort. Sie hatte nie im Leben Drogen genommen, hatte alles geglaubt, was sie über die Schrecken der Rauschgiftsucht gehört und gelesen hatte, über Leute, die unter dem Einfluß von LSD in die Sonne starrten, bis ihre Netzhaut verschmort war, die sich selbst verstümmelten oder von Hochhäusern sprangen, weil sie glaubten, fliegen zu können, aber als Star die beiden dünnen weißen Röllchen mit Marihuana auf den Picknicktisch gelegt hatte, dachte sie sich: Wieso nicht? Wenn Star es tun konnte, wenn Merry es konnte, wieso dann nicht sie? Keine Erkenntnis ist ihren Namen wert, wenn sie nicht der eigenen Erfahrung entstammt.
Sie hätte immer dort stehenbleiben können, stocksteif und innerlich spürend, wie alle losen Enden sämtlicher Dinge sich zu einem gewaltigen Bündel vereinigten, hätte dort zu Stein werden können wie in den alten Märchen, doch ein Möwenpaar mit scharfem Blick holte sie da wieder heraus. Die Vögel zogen einen tiefen Bogen, um sie zu begutachten, um den Tod an ihr zu schnuppern und seine Spuren in ihren Handlinien und unter ihren Fingernägeln verewigt zu sehen, dann flatterten sie entsetzt kreischend davon. Sie betrachtete ihre Hände, die aus den zerschlissenen Ärmeln des Sweatshirts heraushingen. Sie waren kalt. Genau das: kalt. Ein Windstoß beutelte die Blätter, sie erschauerte und blickte über die Schulter zum Blockhaus am Hang. Es würde unendlich lange dauern, bis sie es nach oben schaffte, sie durchmaß unsichtbare Ringe und Trapeze, die vor ihr auftauchten und wieder verschwanden, glitt in Zeitlupe am Tisch vorbei und sah versonnen auf die Brotkrümel und Trinkbecher, die leere Weinflasche und den Aschenbecher mit dem drei Zentimeter langen Stummel des Marihuanajoints, der quer darüber gelegt war wie
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