Grün war die Hoffnung
Mensch. »Also, da die meisten von uns hier sind, möchte ich euch gern etwas verklickern, nämlich im Namen von Premstar und mir ...« Alle sahen zu Premstar hinüber, die wie eine Ikone dasaß, die Lippen zu erwartungsvollem Schmollen geschürzt, die Lider wie nackt, weil sie keinen Klebstoff mehr für ihre falschen Wimpern hatte und schon in den allerletzten Resten ihres pastellblauen Lidschattens kratzte. Premstar funkelte zurück. Sie war nicht ganz in ihrer Spielklasse, dachte sich Star, die Primadonna in einer Gemeinschaft von Gleichen, und es gab hier einfach keine Ausrede für sie, null, zero. Was die Leute hier anging, konnte sie den ganzen Abend lang schmollen.
»Laß mich raten«, sagte Bill. »Die Air Force plant eine Rettungsaktion mit Notabwurf von siebenundachtzig Tuben Entlausungsmittel hier draußen auf dem Fluß?«
»Plus sechs Farbfernseher, mit Antennen so lang wie das Empire State Building«, juchzte der irre George und stieß sein Bierglas in die Höhe, wie um einen Toast auszubringen. »Und alle alten Nummern des Playboy , die noch zu kriegen sind!«
Jetzt kicherten ein paar, es gab den einen oder anderen nervösen Lacher. Der Ofen seufzte. An den Fenstern tickte der Schnee. Merry sah von ihren Karten auf und wechselte einen langen Blick mit Star, als wollte sie sagen: Was jetzt?
Norm hatte kein Problem mit großem Publikum. Wie ein Schauspieler – er war ja der geborene Schauspieler – wirbelte er auf dem Hacken herum und warf die Arme hoch, wie um auch jene einzubeziehen, die über den roh gezimmerten Rand der Zwischendecke hingen, die billigen Plätze, alle da oben auf den billigen Plätzen. »Könnt ich mir auch nur wünschen«, sagte er.
Reba, die in der Ecke gesessen und ins Leere gestarrt hatte, während Che und Sunshine in den matschigen Klumpen Fisch auf ihren Tellern herumstocherten und sich in einem stummen Zermürbungskrieg damit bewarfen, ergriff unvermittelt das Wort: »Was wir hier brauchen, das ist ein Schneemobil, das brauchen wir! Damit wir in die Stadt rüberdüsen können und dieses blöde Läusemittel kaufen, denn langsam ist das echt lächerlich hier, und außerdem die Post holen und, und ...«
»Und mal wieder ein paar andere Gesichter sehen, zur Abwechslung«, beendete Bill den Gedanken für sie.
Der irre George fügte hinzu, er würde sich gern mal im Three Pup ein paar hinter die Binde kippen.
»Zahnpasta«, sagte Maya. »Shampoo. Und orangefarbenen Nagellack.«
Jiminy steuerte seine Ansicht bei, wonach es besser sei, zu Fuß zu gehen – »Gehen ist echt gut, Mann, ist doch das allerbeste Training« –, aber es biß niemand an. Der Gedanke war absolut lachhaft. Klar ließen sich die achtzehn Kilometer zu Fuß zurücklegen, und seit der Fluß zugefroren war, hatten das einige auch schon getan, aber es waren eben auch achtzehn Kilometer wieder zurück , und es gab keine Übernachtungsgelegenheit in Boynton, weil der Bus sich nicht heizen ließ und Sess Harder ihnen die Benutzung seiner Hütte/Werkzeugbude verweigert hatte, sogar für ein Nachtlager. Inzwischen waren alle hier draußen am Fluß – keine Urlaube mehr –, und sie müßten dort auch bleiben, bis das Eis im Mai wieder schmelzen würde. Und wenn man jetzt die Monate zählte – noch den halben November, dann Dezember, Januar, Februar, März und April. Das war lebenslänglich. Und schon jetzt gingen sie auf dem Zahnfleisch, alle miteinander – wie würde das erst in drei Monaten sein? Und in vier?
Man bekakelte die Lage ein paar Minuten lang, wobei jedes Thema sogleich ein Brennpunkt von Streit und Differenzen wurde, dann entstand eine Atempause, in der sich jeder mal kurz die Zukunft vorstellte, die individuelle und die der Kommune, ehe Bill leise hüstelte und aufsah, um Norm zu fragen, was er nun eigentlich hatte ankündigen wollen.
Norm setzte eine Maske auf. Seine Miene wirkte völlig gleichmütig, bis auf seine rotgeränderten Augen, deren Blick sich plötzlich aus der Tiefe der beiden dunklen Höhlen heraus schärfte. »Nichts Besonderes eigentlich, keine große Sache, wegen der ihr euch Sorgen machen müßt, Leute.« Er legte eine Pause ein, und obwohl jeder mit irgend etwas beschäftigt war, hörten ihm alle zu. »Also, es ist wegen Premstar«, sagte er. »Prem geht es ziemlich mies in letzter Zeit ...«
Wieder richteten sich alle Blicke auf sie. Sie starrte aus dem Käfig ihres Selbst, und ja sicher, in ihr schien etwas Feindseliges zu rumoren, aber ansonsten sah sie so gesund aus
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