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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Dieberei. Wie lange war das schon so gegangen? Und wann war es ausgebrochen? Ihr kam der Gedanke, daß jeder von ihnen ein geheimes Versteck haben müßte, sogar Marco, sogar Merry, deshalb war es ja nur logisch, daß jeder jeden verdächtigte und einer in des anderen Sachen stöberte – so nannte man das doch, stöbern ?
    Noch einmal ging sie alles durch, schleuderte zerknüllte Socken, zusammengelegte Pullis und Krimis mit gebrochenem Rückeneinband über die Schulter, dabei beobachtete sie die Tür und lauschte auf Schritte, als könnte sie bei dem Getöse des Schneesturms welche hören, und sie war nur einen Herzschlag davon entfernt, in Jiminys Sachen zu stöbern , in Merrys und in Marcos, als ihr Ronnie einfiel. Er war allein in diesem Raum gewesen, mit Lydia, und wenn irgend jemand ihre Geheimnisse kannte, dann Ronnie, wenn irgendwer ihre privaten Sachen durchsucht hätte, wenn irgendwer auch nur daran denken würde, sie zu beklauen, sie zu belügen und zu betrügen, sie irgendwelchen Tipi-Freaks anzubieten wie eine Prostituierte und dabei die ganze Zeit das unschuldige Opfer zu spielen, dann war das Ronnie. Ronnie hatte ihr Geld. Ronnie.
    Sie sah sich in dem verwüsteten Zimmer um. Es war wie ein Loch, wie ein Käfig. Verraucht, verstunken, überall Chaos und kein Entrinnen. Die Einzelteile des Ofenrohrs paßten nicht genau ineinander, die Windstöße stoben an Hunderten von Stellen durch die Isolierung zwischen den Baumstämmen, die Tür war der reinste Windkanal, egal, wie viele Schichten von Lumpen und Papier man auch in die Spalten rings um den Rahmen stopfte. Es war hoffnungslos, alles war hoffnungslos, und sie konnte einfach nicht mit dem Weinen aufhören. Die Zeit verging – Minuten, Stunden, sie hatte keine Ahnung. Das Holz im Ofen brannte zu Glut und dann zu Asche nieder. Sie zitterte. Saß zitternd auf dem Boden, ohne die Willenskraft, nachzuheizen oder sich auch nur in eine Decke zu wickeln. Und dann quietschte die Tür in den Angeln, und sie sah auf, und da stand Marco.
    Marco. Er war ein weißes Laken, überall weiß, wahre Schichten von Schnee, der Schnurrbart war ihm an den Lippen festgefroren, die Haut über seinen Wangenknochen hatte die Farbe und Struktur von vertropftem Wachs angenommen. Er band sich nicht den Schal auf, nahm weder die Mütze ab, noch zerrte er an den Riemen der beiden Gewehre, die ihm um die Schulter hingen – er ging wortlos mit steifen, staksigen Schritten durch den Raum und fing sie in seinen Armen auf.

30

    Pamela saß ohne Licht am Fenster, zündete eine Zigarette an der nächsten an und starrte auf den vom Mond erhellten Hof hinaus. Es war ihr liebster Zeitvertreib, wenn sie einmal mit dem Kochen fertig war und das Geschirr abgewaschen hatte, wenn sie an den Fellen so lange gewerkelt hatte, wie sie es eben noch aushielt, wenn sie Sess’ Kleider alle geflickt und wieder geflickt hatte, bis seine Hosen und Hemden bald von selbst im Zimmer stehen oder sogar wie wandernde Quiltdecken umhergehen konnten – wenn all das geschafft war, wenn das Holz hereingeschleppt, der Ofen nachgeheizt und das Brot für den nächsten Tag in der Form aufging, setzte sie sich hin und sah aus dem Fenster. In der letzten Woche war es klar und kalt gewesen, und der Mond war ihr zur Sonne geworden, immer da und unverhüllt, beschien er den Schnee auf den Hügeln wie eine Theaterkulisse. Sie war vor einer Weile draußen gewesen (um fünf, nach der Uhr zum Aufziehen, die für Sess allmählich eine fixe Idee wurde; ihr Ticken machte ihn verrückt, behauptete er, und immer wieder fragte er sich laut, was sie überhaupt für ein Interesse daran hatte, zu wissen, wie spät es war) und hatte das Pulsieren und die schwindelerregenden Farben des Polarlichts betrachtet, die von Grün nach Gelbgrün und dann zu Lila und Rot wechselten, bis ihr die Kälte in die Knochen gekrochen und sie wieder hereingekommen war. So am Fenster dazusitzen war besser, als ein Buch zu lesen oder Patiencen zu legen oder Kreuzworträtsel zu lösen. Es war ihre Leerzeit, ihre Zeit zum Sinnieren, und sie starrte in die Landschaft hinaus, so wie andere Menschen vielleicht auf das fixierte Bild eines Fernsehschirms starren würden. Jeden Tag kam ein Fuchs im Winterkleid am Haus vorbei, zweimal am Tag sogar. In den Bäumen saßen Eulen. Raben flatterten wie aus der Nacht herabgeworfene schwarze Tücher. Zweimal hatte sie eine schwer beschreibbare Änderung im Ablauf der Dinge gespürt, und beide Male hatte sie ein Rudel

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