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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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warf hie und da ein Mh-hm oder ein Ich weiß, was du meinst ein. Endlich nahm sich Pamela zusammen, zwang sich dazu, einen kräftigen Schluck von dem Tee zu nehmen, der auf dem Tisch vor ihr bereits kalt wurde. »Gut«, sagte sie, »gut«, als hätte sie soeben eine Gleichung gelöst, die eine ganze Arbeitsgruppe von Mathematikern wochenlang vor Rätsel gestellt hatte, »warum erzählst du mir nicht einfach mal davon?«
    Sie zündete sich eine neue Zigarette an. Star nahm sich auch eine. Sie behielten den Tabakgeschmack einen Moment lang auf der Zunge, sahen einander in die Augen und stießen dann gleichzeitig den Rauch aus. »Ist es wegen Marco?« fragte sie in einem langgedehnten Seufzer aus exhaliertem Rauch. »Geht es um ihn? Machst du dir Sorgen seinetwegen?«
    Star zuckte die Achseln. Sie war klein – geradezu winzig, trug sicher Kindergrößen –, und sie hatte nie verlorener und mädchenhafter gewirkt als jetzt, mit ihren ausdruckslosen Augen, ihrem Mittelscheitel und den ordentlich hinter die Ohren gekämmten Haaren, als hätte ihre Mutter sie frisiert. Marco war mit Sess auf der Fallenstrecke unterwegs – er wollte aus der Praxis lernen, deshalb hatte ihn Sess unter die Fittiche genommen –, und sie biwakierten irgendwo, campten draußen im Wald, bei Temperaturen, die mit ziemlicher Sicherheit über Nacht auf minus vierzig und darunter fallen würden. Wahrscheinlich campten sie aber nicht direkt im Freien – Roy Sender hatte an zwei strategischen Stellen entlang der gut sechzig Kilometer langen Fallenstrecke zwei primitive Hütten aus Holz und Soden errichtet, und die besaßen zwar nur einen gestampften Boden und keine der Annehmlichkeiten eines bewohnten Blockhauses, die eine hatte nicht mal ein Fenster, aber es gab in jeder einen Bollerofen, gut in Schuß gehalten von Sess, immer mit einem Armvoll Kleinholz zum Anzünden und sauber zugehackten Scheiten griffbereit daneben. Außerdem hatte Sess inzwischen die beiden zusätzlichen Hunde, die er gewollt hatte – es waren eigentlich Howard Walpoles Hunde, sauer wie Essig, aber sie konnten gut ziehen. (Howard brauchte keine Arbeitshunde mehr, weil er sich bei seinen Tieren jetzt eher aufs Tempo verlegt hatte, denn er wollte es mal mit Hundeschlittenrennen versuchen, nur so aus Spaß, erzählte er – und hatten sie schon die Gerüchte gehört, daß es demnächst wieder ein Iditarod geben sollte, mit richtigen Preisgeldern? –, dabei wußte jeder, daß er niemals lange genug den Arsch vom Sitz seines Schneemobils hochbekam, um die Hunde auch nur anzuschirren.) Deshalb würden die beiden wesentlich schneller und effektiver mit dem Schlitten über Land kommen, als Sess es im letzten Winter geschafft hatte.
    »Denn wenn du dir seinetwegen Sorgen machst, Liebes, dann kann ich dich wirklich beruhigen – Sess weiß, was er tut. Er ist der tüchtigste Mann im ganzen Land, da kannst du jeden fragen.« Pamela lachte kurz auf, weil sie ihn sich da draußen vorstellte, in seinem geflickten Parka, den sie mit dem Pelz eines Bärenmarders gefüttert hatte, das beste Fell der Welt, weil einem darin nämlich nicht der Atem gefror, und sie sah ihn vor sich, wie er hinten auf den Kufen stand, die Augen im Wind zusammengekniffen, angespannte Sehnen und Muskeln. »Deshalb hab ich ihn mir ja ausgesucht, das weißt du doch. Und hör mal: fünfunddreißig, vierzig Minusgrade, das ist eigentlich noch nicht kritisch. Bei minus fünfzig würde ich mich langsam sorgen.« Wieder lachte sie. »Aber nur ein bißchen. Sess ist gewieft. Der übersteht da draußen so ziemlich alles. Aber was ist mit Marco – hat er seine Erfrierungen von damals gut überstanden? Wann war das überhaupt – so etwa vor einem Monat, oder?«
    Es war kalt am Tisch. Der Wind schien auch noch die kleinsten Schlitze zu finden, als wäre es seinZiel, die baulichen Fehler des Blockhauses hervorzukehren. Pamela dachte daran, den Rauchabzug des Ofens etwas weiter zu öffnen, vielleicht auch noch etwas Feuerholz nachzulegen, doch sie blieb wie angewurzelt sitzen, denn sie genoß dieses sich entspinnende Seemannsgarn, es war gemütlich, plauschig, es ging um Tratsch über Menschen und ihre Probleme.
    Star zuckte wieder nur die Achseln, als hätte sie sonst keine Geste auf Lager. »So in etwa«, sagte sie. »Ja doch, alles okay. Diese beiden weißen Linien im Gesicht hat er behalten, die wie Narben aussehen oder so, auf den Wangenknochen – aber das hast du ja schon gesehen, oder? –, aber seine Zehen sind

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