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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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weiter einen zweiten, dann schlugen sie einen Bogen und suchten einen Platz zum Landen. Der Schnee war knietief. Dem ersten Wolf hatte die Kugel das Rückgrat zerfetzt. Er lag am Boden und starrte ihnen verständnislos entgegen, eine Kreatur, die in Höhlen geboren und gesäugt worden war, die sich immer nur von Elchen, Kaninchen, Wühlmäusen und Karibus ernährt hatte und die sie nun hilflos anglotzte. »Mach ruhig«, hatte Joe gesagt, »aber laß das Fell intakt. Ziel auf das Auge.«
    Und jetzt versuchte Pan zu erkennen, was Joe da am Boden entdeckt hatte, dabei holte er das Gewehr hinter dem Sitz hervor, direkt aus dem Schaukasten von »Big Ray’s« Sportgeschäft in Fairbanks, mit Eskimodollars neu gekauft – eine .375 Holland& Holland, Zielfernrohr mit Vierfachvergrößerung –, prüfte kurz das Magazin und reichte die Waffe an Joe weiter. Unter ihnen verlief eine Spur, das sah er jetzt auch, ein richtig ausgetretener Pfad, wie ihn ein größeres Rudel Wölfe hinterlassen haben mochte, er schlängelte sich zwischen den Bäumen dahin, verschwand manchmal mehrere Sekunden lang und zeigte sich dann wieder, offenbar verlief er am Fluß entlang in südlicher Richtung. Der Mond war noch nie heller gewesen, soweit sich Pan erinnern konnte, dabei hatte er ihn schon öfter am Himmel hängen sehen, als er zählen konnte, in den finsteren Gassen hinter den Musikschuppen, durch die Scheibe seines Wagens, groß und blendend und optisch verstärkt durch die volle Bandbreite der Pharmakopoeia, die sein Augenlicht erleuchtete. Heute aber, heute strahlte er richtiggehend zurück, alles glänzte silbern, Joes Parka, sein Gesicht, seine Hand auf dem Steuerknüppel, aber wo waren die Wölfe?
    Und dann, plötzlich, dort unter den Bäumen, da waren sie, ein Rudel, das in Formation dahinjagte, und Joe schrie: »Nimm das Steuer, los, nimm es!« Die Luft im Cockpit wechselte von saukalt zu frostklirrend, als Joe jetzt das Fenster aufstieß und der eisige Wind hereinpeitschte. Pan hielt den Steuerknüppel, die Maschine beschrieb eine Linkskurve, Joe zielte, aber Moment – das waren gar keine Wölfe, oder? Nein, nein, genau ... es waren Hunde, vor einen Schlitten gespannt, und zwei Gestalten schälten sich aus dem fließenden Gewaber des unbeschriebenen weißen Blattes dort unten, zwei Menschen, zwei Männer, und was dachte sich Joe eigentlich, war er auf einmal blind geworden? »Joe!« rief Ronnie. »Joe, das sind keine Wölfe!«
    Egal. Denn Ronnie hielt die Maschine weiterhin in einer steilen Kurve, und Joe feuerte, einmal, zweimal, dreimal, die Kurve wurde immer steiler, Joe fluchte – »Scheiße! Scheiße, fahrt doch zur Hölle!« –, und keiner von ihnen bemerkte, wie nahe der Senkrechten die Tragflächen inzwischen schon standen, bis Joe das Gewehr hinwarf, um die Cessna aus dem drohenden Trudeln herauszureißen und knapp über den Baumwipfeln vor ihnen wieder hochzuziehen. Der Motor heulte auf, und es gab einen Schlag, ein ekelhaft lautes, nasses und hartes Klatschen, wie von Haut auf Haut, und plötzlich hatte die Spitze der rechten Tragfläche einen Knick, worauf das ganze Flugzeug zu beben begann, als würde es gleich auseinanderfallen.
    Joe wehrte sich. Joe wußte, was er tat. Joe hatte nicht vor, eine Maschine, für die er fünfundzwanzigtausend Dollar bezahlt hatte, abstürzen zu lassen, nur weil eine ihrer Flügelspitzen wie eine Bierdose zerquetscht worden war, o nein, nicht Joe. Sie flogen noch vier oder fünf Kilometer weiter, kämpften sich auf den Fluß zu – aber was war mit der Flughöhe los, warum zog er den Steuerknüppel nicht nach hinten und brachte sie von den Baumwipfeln weg? –, bevor Ronnie kapierte, daß es abwärts ging. Vor ihnen war irgend etwas, nicht der Fluß, nur eine Lücke zwischen den Bäumen, offene Tundra, kleine Büschel von totem Zeug mit Schneekrönchen drauf, wie lauter kleine Fäuste, die sich auf dem Boden ballten, und dann setzten sie auf, die Landekufen wurden unter ihnen weggefetzt, und der gesamte Rumpf kippte gnadenlos nach links und in die finster aufragenden, undurchdringlichen rindenbewachsenen Knochen der Bäume hinein.
    Niemand mochte Joe Bosky allzusehr – man respektierte ihn, fürchtete ihn vielleicht sogar, aber er war nicht die Sorte Typ, die irgend jemand für seine freundliche Art oder seine Nettigkeit und guten Manieren lobte. Ronnie jedoch stand auf ihn. Ronnie hegte so etwas wie eine Beziehung des jüngeren zum älteren Bruder zu ihm, und wenn man Joe eins

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