Grün war die Hoffnung
heißt dann wohl, daß du die erste bist, die es erfährt.«
31
Was in dieser Zeit als Licht durchging, war nichts als ein verblassender Schimmer am Horizont, nur dem Namen nach Licht, ein armseliges blasses Glimmen am südlichen Himmel, das einen nur daran erinnerte, was man so verpaßte. Es war sonnig in Miami Beach, gleißendhell in San Diego, und in Patagonien oder am McMurdo Sound wurde es niemals dunkel – es war, als wäre der gesamte Globus umgekippt worden und man könnte hierzulande allenfalls herausschlagen, daß ein paar Schatten ein Stück weit in die Nacht des Universums zurückwichen. Daran dachte Pan, während der Motor seine geisttötende immer gleiche Botschaft herausdröhnte – alles in Ordnung, alles in Ordnung –, die Tragflächen von irgendwo einen Lichtreflex auffingen und die Positionslampen unrhythmisch flackerten, bis er in Trance fiel, so daß er ebensogut in einem Tanzschuppen hätte sein können, mit Stroboskoplichtern und so lauter Musik, daß man glatt seinen Namen vergaß.
Ihm war kalt. Eigentlich war er knapp am Erfrieren. Draußen, unten am Boden, herrschten an die vierzig Grad unter Null, und hier waren sie in zweitausend Meter Höhe, wo die Luft dünner war – und noch kälter. Joe hatte die Heizung auf volle Kraft gestellt, aber davon merkte man kaum etwas, weil der Wind dermaßen durch die Spalten im Türrahmen und an den Fenstern hereinpfiff – und wieso war es eigentlich nicht möglich, diese Dinger luftdicht zu machen? Warum ließ sich nicht wenigstens eine Heizung einbauen, die ein bißchen funktionierte? Er spürte seine Zehen nicht mehr. Die Holzperlenkette unter seinem Hemd fühlte sich an wie lauter Eiskügelchen. Eine kalte, klare Flüssigkeit tropfte ihm aus der Nase und befeuchtete den Rücken der Handschuhe. In seiner Verzweiflung schlang er sich die Arme um den Körper und zitterte dabei so heftig, daß er glaubte, gleich würden sich die Zahnfüllungen lockern.
Neben ihm saß Joe wie ein Klotz. Seine massigen Schultern wirkten noch massiger durch das aufgeplusterte Daunenfutter des Parkas. Er hielt einen behandschuhten Finger auf dem Steuerknüppel, starrte durch die Windschutzscheibe oder warf einen gelangweilten Blick zur einen oder anderen Seite hinunter und schien ebenso unbeeindruckt von dem heulenden arktischen Orkan in seinem Gesicht wie ein Eisbär, der es sich auf einer treibenden Scholle im Nordmeer gemütlich gemacht hat. Seit einer Viertelstunde hatte er kein Wort gesagt – oder geschrien –, aber Pan erwartete auch nicht unbedingt Unterhaltung. Also litt er schweigend vor sich hin, dachte jetzt nur noch an das Blockhaus, an das sanfte Gleiten der Kufen auf dem verschneiten Eis des Bachs – nur noch landen und raus aus dieser Folterkiste – und an das Feuer, das er im Ofen anwerfen würde. Er griff nach seinem kleinen Rucksack auf dem Rücksitz und zog die silberne Taschenflasche heraus.
Die Flasche enthielt Hudson-Bay-Rum, also im Prinzip dieselbe Scheiße wie der Bacardi 151, den sie im Surf ’n’ Turf immer zum Flambieren genommen hatten – es schmeckte grauenvoll, wie Petroleum, aber es erfüllte seinen Zweck: es wärmte. Brannte zwar im ganzen Körper, vom Gaumen bis zum Hintern runter, und er mußte gleich wieder an Mr. Boscovich denken, wie der an der Tafel den menschlichen Verdauungstrakt skizziert hatte: Neun Meter lang , hatte er herausposaunt, in seinem komischen Singsang, und wer kann mir sagen, wieviel Fuß das sind? Pan lachte kurz auf bei der Erinnerung, dann schraubte er den Verschluß ab. Er hob die Flasche an die Lippen, gerade als die Maschine kurz ruckte und sich dann wieder beruhigte, so daß ihm etwas Rum in den Bart lief, aber es wirkte – auch wenn das Zeug derart feuerte, daß er sich aufs Brustbein klopfen mußte, um es nicht gleich wieder auszuspucken –, und dann tippte er Joes Arm an, um ihm pantomimisch die Flasche anzubieten. »Auch einen Schluck?« brüllte er.
Joe warf ihm einen langen Blick zu, als müßte er ihn erst einordnen, als hätten sie nicht die vergangenen dreieinhalb Monate in derselben Blockhütte gelebt und den größeren Teil des Tages gemeinsam im Flugzeug gesessen, dann schüttelte er langsam den Kopf und stopfte das Loch in der Mitte seines Vollbarts mit einem traurigen Lächeln. »Nicht wenn ich fliege«, brüllte er zurück.
»Nicht mal einen ganz kleinen?«
»Führe mich nicht in Versuchung.«
Sie waren auf dem Rückflug von Ambler am Kobuk River, wo sie bei einer Baracke auf
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