Grün war die Hoffnung
ihn ja gar nicht. Vielleicht ist das alles Teil des höheren Plans.«
»Des höheren Plans? Du wirst mir hier doch nicht zum Mystiker, oder wie? Komm, nimm mal noch ’n Schluck Brandy. Das ist besser für dich.«
»Ich denke, ein paar von uns meinen es ernst und andere wieder nicht – Alaska, mein ich: Kinder, jetzt fahren wir alle mal nach Alaska rauf, und da tanzen wir im Mondlicht. Verstehst du? Und jetzt werden wir ja sehen, wie es weitergeht, wenn wir auf uns selbst gestellt sind.«
»Lydia«, sagte Sess. »Die ist es. Wenn ich mir eine aussuchen könnte, die würde ich nehmen. Aber erzähl Pamela nichts davon.« Er sah versonnen in seinen Becher. »Übrigens, nur so aus Interesse, hast du je mit ihr ...?«
Marco schüttelte den Kopf. »Nicht mein Typ. Aber du wirst ja schon gehört haben, daß sie uns aus Fairbanks ein kleines Präsent mitgebracht hat, oder?«
»Präsent?«
»Allerdings«, sagte Marco und sah ihm in die Augen. »Sackratten.«
Sess beugte sich vor und grinste. »Sakrament! So macht man sich beliebt.«
»Ich hab sie nicht«, sagte Marco. »Und Star auch nicht. Was ja schon eine gewisse Zustandsbeschreibung gibt.«
»Oho, du hast angebissen, mein Freund, du hängst an der Angel. Die Tage deiner Wanderschaft sind gezählt, das war’s dann wohl.« Er hob den Becher zum Mund und stellte ihn wieder ab. »Aber ganz ehrlich mal: man braucht eine Frau hier oben. Wenn du ernsthaft hier leben willst, meine ich. Wenn ich Pamela nicht hätte, würde ich pausenlos die Bäume raufklettern, mich ständig mit irgendwem im Three Pup prügeln, sturzbesoffen auf dem Boden rumliegen und viel zu fertig sein, um nach meinen Fallen zu sehen und diesen Luchs von heute nachmittag zu erlösen. Den ich übrigens noch hereinholen sollte, um ihm das Fell abzuziehen.« Sie schwiegen beide eine Weile. »Bleib dran«, sagte Sess irgendwann, »das ist mein Rat für dich. Aber hör mal, wir haben morgen einen langen Tag vor uns, müssen weiter zum nächsten Unterschlupf am No Name Creek, und mir reicht’s für heute, dir nicht auch?«
Sie standen beim ersten Morgengrauen auf, das kurz nach neun Uhr kam und allmählich die Formen und Schatten vor dem Fenster nachzeichnete. Zum Frühstück gab es Elcheintopf. Die Hunde kriegten Trockenlachs, den sie unter wildem Augenrollen, boshaftem Knurren und heftigen Rangordnungskämpfen hinunterschlangen. Der Himmel hing tief und bleiern über ihnen. Es herrschten minus neununddreißig Grad, versprach aber wärmer zu werden.
Er half Sess beim Aufräumen der Hütte – der Elcheintopf kam auf den Boden, der Kessel wurde mit Wasser gefüllt, eine primitive Kiste in der Ecke mit Feuerholz und größeren Scheiten von Birke und Pappel bestückt –, dann schirrten sie die Hunde an. Marco hielt wenig von den Hunden – sie waren ungebärdig, häßlich in Fell und Farbe, hatten Beine wie krumme Stöcke, schmale Hüften und breite Schultern. Zu Hause in Connecticut wären sie vom Hundefänger ins Tierheim gebracht worden, da hätten sie die vorgeschriebenen zwei Wochen geschmachtet, unsympathisch und unvermittelbar, danach hätte man sie einen nach dem anderen erledigt, sanft hinter den Ohren gekrault und dann der rasche, gezielte Stich mit der Nadel. Die beiden ganz hinten beim Schlitten – die sogenannten Schrittmacherhunde – hießen Lester und Franklin, eine typische Sess-Harder-Referenz (oder eigentlich eine Reverenz, so behauptete er) an die Drop-City-Dropouts, die er eines herrlichen Sommertags beim Goldwaschen in einem vollkommen goldlosen Bach beobachtet hatte, und den Hund gleich hinter Lucius, den Leithund, nannte er Sky, um den Scherz noch etwas weiter zu treiben. »Wir wollen doch keine räudige Hundegeschichte daraus machen, bitte!« hatte Marco gealbert, als ihm das Gespann vor dem Blockhaus am Thirtymile vorgestellt worden war, und das hatte Sess gut gefallen. »Ja, ich hätte wohl auch einen davon Norm nennen sollen«, hatte er gesagt.
Jetzt aber waren es neununddreißig Grad unter Null, und es blieb wenig Zeit zum Scherzen. Die Hunde waren total wild darauf, sich ins Zeug zu legen und davonzurasen – in der ersten Stunde konnte man sie normalerweise kaum bremsen –, und als Marco versuchte, Sky ins Kreuzgeschirr zu binden, wurde er zweimal gebissen, durch die Handschuhe ins Fleisch hinein – wenn das kein schlechtes Karma war, dann wußte er ja nicht. »Meine Güte«, sagte er und mußte laut brüllen, um über dem Kläffen der Hunde überhaupt gehört zu
Weitere Kostenlose Bücher