Grün war die Hoffnung
schnell in einem fließenden Strom aus Nacht und Wind, den sie bei ihrer Flucht erzeugten – das war es nämlich, eine Flucht –, und er rief ein einziges Wort: »Bosky!«
Beide sahen, wie sich die Maschine am Ende der Wiese in die Kurve legte und nochmals zurückkam, und sie konnten nichts dagegen tun, es blieb keine Zeit für Fragen, wieviel Haß und Starrsinn die Dinge so auf die Spitze getrieben hatten, keine Zeit für Vernunft oder auch nur für Worte. Sie rasten dahin. Und Bosky nahm sie aufs Korn. Es fielen Schüsse – dessen war sich Marco sicher, neben ihm stob der Schnee auf, und einer der Hunde jaulte und stolperte in seinem Geschirr, woraufhin ihn die anderen in einer dunklen Flut der Notwendigkeit einfach mitschleiften –, und dann hörten sie das Krachen von etwas, was mit hoher Geschwindigkeit gegen ein unbewegliches Objekt prallt, ein einziger tödlicher Knack, und nun waren sie unter den Bäumen und sahen das Flugzeug nicht mehr.
Als erstes ließ Sess die Hunde in der Deckung des Waldes haltmachen und band den Schlitten fest. Dann zog er die Zweiundzwanziger aus dem Futteral, das er unter dem linken Handgriff dafür angebracht hatte, und feuerte zwei sinnlose Schüsse in die Nacht. »Verfluchtes Arschloch!« brüllte er. »Du beschissener Spinner! Du Drecksack, ich bring dich um!«
Auf einmal war es kalt. Unglaublich kalt. Es war die Art Kälte, die einem ins Mark fuhr, egal, wie viele Schichten Kleidung man anhatte. Marco fühlte sich taub, am ganzen Körper taub. Er wußte nicht recht, was geschehen war, von einem Traum direkt in die Schleier des nächsten, aber er besaß die Geistesgegenwart, an den Hund zu denken. Das Tier war verletzt. Er hörte es winseln, ein feines, schabendes Geräusch, wie eine Geige, die in den obersten Tonlagen gestrichen wird. »Sess«, sagte er, »ich glaube, einen der Hunde hat’s erwischt.«
Es war der Fuß oder das Bein – Marco konnte es im Wechsel von Mondlicht und Schatten nicht genau sehen. Er stand hilflos dabei, als Sess sich über den Hund beugte, ihn aus dem Geschirr löste, in die Arme nahm und zum Schlitten trug. Er sah zu, wie Sess ihn auf die Ladefläche legte, neben den hartgefrorenen Coyotenkadaver, und er sah zu, wie Sess die anderen Hunde neu gruppierte, wobei der Atem von Mensch und Hund als dichter Nebel in der Luft hing. Im Lauf dieser Geschehnisse ertönte irgendwann ein fernes Geräusch – wann genau, hätte Marco nicht sagen können, nach wenigen Sekunden oder gar Minuten –, und ein grelles Licht flackerte auf, vier bis fünf Kilometer entfernt. »Gut«, knurrte Sess, während er in der Kälte arbeitete, und jede Pause, jede Silbe war eine kleine Dampfmaschine in der Nacht, »gut, dieser Drecksack. Sehr gut. Ich hoffe nur, er ist tot und verkohlt jetzt.«
Sie erreichten die Hütte in wenigen Minuten, und noch ein paar Minuten später vollzogen sie dasselbe Ritual wie am Vorabend – Hunde ausschirren und anleinen, Feuer machen, Kessel und den großen rußigen Topf auf den Ofen stellen –, doch sie sprachen kaum. Sie arbeiteten wie Katastrophenhelfer: methodisch, ungerührt, nur angeleitet von der Logik und dem Diktat des Augenblicks. Sess brachte den verletzten Hund herein – es war Sky, ein gehetzt blickendes blaues Auge, das andere gelassen und braun – und legte ihn im Licht der Laterne auf den Boden. Der Hund winselte leise, und Marco sah, daß seine rechte Vorderpfote weggeschossen war, zumindest die Zehen. Sess durchquerte den Raum und kam mit einem fadenscheinigen verblichenen Flanellhemd zurück, das er in Streifen riß. »Kann ich irgendwas tun?« fragte Marco, und Sess meinte, er könnte draußen die Hunde füttern, das wäre eine Hilfe.
Erst nachdem sie gegessen hatten, verließ sie der Schock ein wenig, so daß sie allmählich darüber reden konnten. Der Hund war wieder draußen, sein Lauf mit einer verknoteten Bandage versehen, die er sich wahrscheinlich längst abgenagt hatte, und die Hütte – die primitiver und älter war als die, in der sie zuvor übernachtet hatten, sie stammte noch aus der Zeit, bevor die Flugzeuge die Herrschaft über das Land übernommen hatten – wurde endlich doch von der Wärme des Ofens erfüllt, der Kessel dampfte fröhlich, und sie starrten beide in den Kaffeesatz am Boden ihrer Becher. Marco stand auf und wärmte sich die Hände über dem Ofen. »Und du meinst, sie sind abgestürzt, ja?« fragte er.
Sess blickte kurz auf. »Ja«, sagte er nur.
»Und? Sind sie
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