Grün war die Hoffnung
werden, »sind die immer so?«
Sess war mitten in den Kampf dreier Hunde hineingewatet, wo er mit seinen Mokassins etliche Rippen zurechtrückte und mit den geballten Fäusten auf die dicken felligen Köpfe einhämmerte. »Man will schließlich Hunde mit ein bißchen Pep haben«, sagte er, und dann jagten sie los.
Es war eine wilde Partie, pure Begeisterung, die Luft so kalt, daß sie brannte, sie loderte geradezu in den Lungen, die Arme pumpten wie bei einem Marathonläufer, man fühlte den Sog der Energie, die den Wolfshunden wie ein elektrischer Schlag in die Wirbelsäulen und die peitschenden Läufe und einem selbst ins Mark fuhr. So etwas hatte Marco noch nie erlebt. Sie sausten den Pfad entlang, viel zu aufgewühlt, um die Kälte zu spüren, bis sie zur ersten Falle kamen, die die Hunde allein witterten und wo sie abrupt stehenblieben.
Der Köder war weg, die Falle ausgelöst, und man sah eine Luchsfährte wie eine tödliche Punktierung im Schnee. Sess zeigte ihm, wie man eine Falle erneut scharf machte, zur Tarnung ein paar Handvoll Schnee darüber warf, und dann gleich dahinter in einem Meter Höhe an irgendeinen Baum einen verwesten Gänseflügel nagelte, der eine Weile in Rizinusöl mariniert worden war. Denn was war der beste Köder? Was am meisten stank. Für Marder nahm Sess die Därme und den Rogen der Lachse, die er im vergangenen Sommer gefangen hatte – nachdem sie ordentlich in einem Keramiktopf vergoren waren, den er ein paar Wochen in die Sonne gestellt hatte. »Nichts Besonderes«, sagte er. »Kleine Tricks. So was kann jeder lernen.«
Sie standen vor der leeren Falle, die Hunde krümmten sich und schnupperten an ihren Spuren, eine leise Brise bewegte die Baumwipfel. »Sogar Joe Bosky?« fragte Marco. »Sogar Pan?«
Sess verzichtete auf eine Antwort – die Frage war zu provokant, das merkte Marco sofort und wünschte, er hätte sie nicht gestellt. Bis zu diesem Moment waren Sess und er prächtig miteinander ausgekommen, zwei Männer im Einklang, und sobald Sess gemerkt hatte, daß Marco sich gut hielt, daß er Power besaß und keineswegs nur ein Tourist war, übertrug er ihm immer mehr Verantwortung, und so schirrte Marco jetzt die Hunde an, fütterte sie, ließ sie laufen und kochte zu Mittag den Kaffee.
Sess starrte auf die Fährten im Schnee, die Hände in die Hüfte gestützt, in seinem Parka, der so oft geflickt war, daß man kaum die ursprüngliche Farbe erkennen konnte, und zog ein nachdenkliches Gesicht, in seiner Miene spielten unterdrückte Gefühle wie auf einem Holzschnitt von Häuptling Joseph vom Stamm der Nez Percé. Seine mit Vielfraßpelz gefütterte Kapuze hielt den Wind ab, und als Marco die langen dunklen Haare flattern sah, mußte er plötzlich an die Ziegen denken und an die Hilflosigkeit, die er im Angesicht dieser gnadenlosen Kreatur aus der Tiefe des Waldes empfunden hatte. Und was würden sie tun, wenn sie heute auf so ein Vieh stießen – oder auf einen Bären? Als einzige Waffe hatten sie die Zweiundzwanziger dabei, weil Sess das schwere Gewehr nicht mitnehmen wollte – zu spät im Jahr für Elche, also wäre es nur eine unnütze Last. Die Bären lagen jetzt im Winterschlaf. Die Wölfe allerdings nicht. Und was war mit jenem legendären Alaska-Alptraum, dem Winterbären, dem Grizzly, der sich zu früh in seine Höhle zurückgezogen hat und deshalb mitten im Winter aufwacht, ausgehungert nach Fleisch und Fett, das er zum Überleben braucht? Was würde ein Kleinkaliber wohl gegen so einen ausrichten?
Es wurde schon wieder dunkel, als sie um eine Spitzkehre kamen, an der die Hunde langsamer wurden und unsichere Blicke über die Schultern warfen. Vor ihnen war eine Falle, aber irgend etwas stimmte nicht damit. Es steckte ein Tier darin, zu groß für einen Marder oder einen Otter, und es war auch nicht tot und hartgefroren wie der Ärmel eines Pelzmantels, der in einem Kühlraum am Haken hing, sondern es lebte, es funkelte sie aus gelben Augen an und zerrte hysterisch an einer angespannten gelbbraunen Leine, die sein rechter Hinterlauf war. Es war ein Wolf, dachte Marco zunächst, aber Sess stieß nur einen leisen Fluch aus – es war kein Wolf, sondern ein Coyote, ein praktisch wertloses Fell, denn keine aufgetakelte Matrone auf der Park Avenue oder dem Lake Shore Drive wollte in so was in ihr Lieblingsrestaurant schlendern.
Die Hunde waren wie verrückt. Sie rochen die Beute, stießen ein wütendes, frustriertes, jammerndes Geheul aus und rissen in einem
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