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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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so breit, dass sie die Worte kaum herausbringt: »Auf Anacapa, das jetzt zu hundert Prozent rattenfrei ist!«
    Auf Guam gab es keinen Champagner, denn Guam war nicht schlangenfrei und würde es nie werden. Es waren zu viele Spezies betroffen, es gab zuviel Vegetation, zu viele invasive Arten, die Plage war nicht auszurotten. Ein halbes Dutzend Mal glaubte Robert, eine Lösung gefunden zu haben; die letzte war ein Virus, das nur in Kaltblütern überlebte, und so impfte er den Schlangen dieses Pathogen ein und ließ sie dann frei, doch offenbar wirkte das Mittel nicht, denn es gab keine merkliche Veränderung des Bestands. Im Scherz sagte er, um sie auszurotten, müsse man Atombomben über der Insel abwerfen, und selbst dann wäre er bereit zu wetten, dass einige überleben würden, verborgen in irgendeiner Spalte oder einem Bleirohr. Einmal, als sie ihn bei seinen Feldstudien begleitete, fanden sie ein Stück PVC-Schlauch mit einem Durchmesser von nicht einmal drei Zentimetern, und darin waren sechs Schlangen, aneinandergepresst wie die Drähte in einem Elektrokabel. Jetzt hatte er, wie aus dem Artikel hervorging, den er ihr geschickt hatte, eine neue Hoffnung: Acetaminophen. Einfach herzustellen, billig, der wirksame Bestandteil von Paracetamol. Ein Blutverdünner wie Brodifacoum, jedoch weit wählerischer in der Art seine Opfer.
    Erste Experimente waren vielversprechend. Zwei Hundert-Milligramm-Tabletten, verborgen im Kadaver einer Maus, töteten eine Braune Nachtbaumschlange innerhalb von drei Stunden durch innere Blutungen. Ja. Aber wie sollte das Gift verabreicht werden? Robert und seine Kollegen warfen tausend mit Paracetamol präparierte Mäuse über einem sorgsam abgesperrten Waldgebiet ab, doch die meisten blieben in den Zweigen hängen und verwesten, bevor die Schlangen sie entdecken konnten. Außerdem stellte sich die Frage, was das Mittel bei anderen Spezies, die es aufnahmen, anrichten würde. Und wie viele Mäuse würde man brauchen? Wie viele Abwürfe? Schätzungen zufolge gab es über zwei Millionen Schlangen auf der Insel, und selbst wenn man es schaffte, den enormen Betrag aufzubringen, den eine solche Operation kosten würde, und selbst wenn sich das Mittel als für andere Tiere unschädlich erwies, waren die Chancen, die Braune Nachtbaumschlange gänzlich auszurotten, ungefähr – nein, genau – gleich Null. Die Schlangen würden bleiben. Und darum würden die einheimischen Bäume immer weniger werden, denn es gab nicht genug Vögel, die ihre Samen verbreiteten, und die Zahl der Spinnen und anderen Insekten würde zunehmen, und in fünfzig bis hundert Jahren würde Guam nicht mehr Guam sein.
    Die Sonne scheint ihr in die Augen. Sie muss sie zusammenkneifen, als sie den Kopf in den Nacken legt und die kühle Bestätigung ihres Triumphs durch die Kehle rinnen lässt. Sie wird ihre kleine Rede halten und die Presseerklärung verteilen, und dann wird sie sich neben Tim auf eine Decke legen und den Vögeln zusehen, die an einem bis in die Unendlichkeit aufgerissenen Himmel vorübergleiten. Das wird ihre Belohnung sein, ihr Friede, ihre Freude. Sie war ein Werkzeug des Guten, sie hat die Invasoren besiegt, die ihrer Großmutter vor all den Jahren so zugesetzt und die Eier und Nestlinge von Vögeln gefressen haben, deren Brutgebiet eine Welt ohne Ratten sein muss. Und diese Welt hat sie ihnen zurückgegeben. Sie hat ihnen eine Chance gegeben. Und jetzt ist sie, wie sie beim nächsten Erheben ihres Pappbechers verkünden wird, bereit, unerschrocken ein neues Projekt anzugehen, unterstützt von Freeman Lorber und all den anderen phantastischen Leuten vom National Park Service. Die nächste, weit größere Herausforderung heißt: Santa Cruz.
    »Santa Cruz!« wird sie rufen, der hämmernde Trochäus wird von tief in ihrer Kehle aufsteigen wie ein Schlachtruf, und alle werden ihre Becher heben, als Ermunterung, als Zeichen der Entschlossenheit und Unterstützung, Menschen mit dem richtigen Bewusstsein, gebildete Menschen, überwältigt vom Rausch des Augenblicks an diesem Ort, den sie inzwischen mehr liebt als irgendeinen anderen, mehr als Hawaii, mehr als die Berkeley Hills, sogar mehr als Guam. »Auf nach Santa Cruz!«
    Und dann bricht der nächste Morgen an, ein Sonntagmorgen: frisch gepresster Orangensaft, Bagel mit Frischkäse, die Zeitung. Tim schläft aus, wann immer er kann, und heute ist es nicht anders. Als sie zu ihrer gewohnten Zeit – halb sieben – aus dem Bett geschlüpft ist, lag er leicht

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