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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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sein Anwalt sie nennt – ist erst für nächsten Montag anberaumt und in diesem Stadium nichts weiter als eine Formalität. Oder jedenfalls ist er zu neunundneunzig Prozent sicher, dass es so ist. Oder sein wird. Wilson hat sich bereits schuldig bekannt und eine Bewährungsstrafe gekriegt sowie eine Geldstrafe von zweihundert Dollar, und weil sie ja nicht unbedingt beide verurteilt werden müssen, hat Wilson ausgesagt, er habe allein gehandelt, Dave LaJoy habe absolut nichts gewusst von seinem Plan, unschuldige Tiere zu retten und den Planeten vor Leuten zu schützen, die lieber töten als erhalten wollen, und sein Freund sei an jenem Tag nur auf der Insel gewandert. Wie sie das Schild hätten übersehen können, wisse er nicht. Aber es sei windig gewesen, und der Wind habe ihnen Staub in die Augen geweht, weswegen sie die Kapuzen aufgesetzt hätten. Und dann habe es begonnen zu regnen.
    Das ist der Stand der Dinge. Er braucht sich also keine Sorgen zu machen. Das sagt er sich jedenfalls, denn ihm könnten sechs Monate Knast und fünftausend Dollar Strafe für jedes der beiden Vergehen blühen, aber daran will er heute nicht denken. Er ist hier draußen, auf dem Meer, es ist ein Nachmittag wie aus dem Bilderbuch, und er tut, was er viel öfter tun sollte – er wird jetzt einfach den Schalter in seinem Kopf auf Aus stellen und die Welt in ihrer ganzen Herrlichkeit genießen.
    Die Anacapa-Passage ist etwas unruhiger, als ihm lieb ist, aber das ist nichts, was sein Magen nicht aushält, in dem ohnehin nur eine trockene Scheibe Toast und zwei Tabletten gegen Seekrankheit sind, und die Kabbelung wird schwächer, als sie San Pedro Point umrunden und im Windschutz der aufragenden Klippen sind. Er hält ein wenig Abstand zur Insel und bleibt da, wo das Wasser fünf bis zehn Meter tief ist. Sie fahren an der Südküste entlang, vorbei an der Landspitze bei Albert’s Anchorage, und laufen in die Bucht von Coches ein. Die sie, wie er befriedigt feststellt, ganz für sich allein haben. Hin und wieder, besonders an Wochenenden, kommt es vor, dass andere schneller gewesen sind als er – manchmal liegen dann zwei oder sogar drei Boote in der Bucht vor Anker –, aber heute, an einem Montag Anfang Juni, einem ganz normalen Schul- und Werktag, an dem der durchschnittliche Lohnsklave buckeln muss und von seinen zwei Wochen Urlaub im August nur träumen kann, liegt die Bucht verlassen da, so unberührt, als wäre er ihr Entdecker, als wäre er Juan Rodríguez Cabrillo, der vor vierhundertfünfzig Jahren spanischer Kapitän war. Er denkt darüber nach, wie es gewesen sein muss, als noch niemand wusste, was hier war, als die Welt ein Mysterium war und es auf den Landkarten von Seeungeheuern und den weißen Flächen der Terra incognita wimmelte – alles konnte passieren, jedes Wunder, jeder Schrecken, jede Insel war bizarrer als die vorige, ein Füllhorn bislang nur phantasierter Flora und Fauna, die in dem Moment konkret wurde, in dem ihr Bild sich auf der Netzhaut abzeichnete –, und dann nimmt er das Gas weg und lässt das Boot in die Bucht gleiten. Als sie etwa in der Mitte sind, wendet er, so dass das Heck zum Ufer zeigt und sie, wenn sie auf dem Deck sitzen, einen Blick auf den Strand und die Klippen haben, die ihn einrahmen.
    Der Anker fällt. Das Boot treibt langsam noch ein Stück weiter, dann strafft sich die Leine. Zufrieden setzt er sich in den Liegestuhl, und Anise kommt barfuß aus der Kombüse und reicht ihm seine erste, die besinnliche erste Margarita, so kalt, dass das Glas einen Eisfilm hat. Anise hat einen Bikini an, zwei winzige schwarze Stoffstreifen, die kaum mehr als kleine Unterbrechungen in der weißen, blendenden Pracht ihres Körpers sind. Sie hat das Haar aufgesteckt, trägt einen breitkrempigen Strohhut und eine Retro-Sonnenbrille und sieht aus, als wäre sie soeben aus einem alten Schwarzweißfilm gestiegen. »Schön«, sagt sie und lässt sich in den Liegestuhl neben ihm sinken.
    Die Margarita, zubereitet nach dem simpelsten und besten Rezept – frischer Limonensaft, Herradura Reposado und Triple Sec, geschüttelt und in einem Martiniglas mit Salzrand serviert –, ist die beste, die er je getrunken hat, findet er. Auf leeren Magen macht sich die Wirkung sofort bemerkbar, und als er das Glas hebt und Anise zuprostet, ist er so entspannt, als würde er schlafen. »Ja«, sagt er. »Schöner kann’s nicht sein.«
    Die Zeit verdichtet sich. Es gibt kein von Menschen erzeugtes Geräusch, nichts, nicht das

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