Grün war die Hoffnung
Cola, Cracker und Pfefferminzpastillen erwarten. Dann lächelt er sie an, so lässig, als würde er für ein Foto posieren – es ist ein schönes, vollmundiges, fröhliches Lächeln, als wären sie die besten Freunde der Welt –, rückt seinen Stuhl langsam neben den von Alicia, legt den Arm um sie und zieht sie an sich.
PRISONERS’ HARBOR
Er ist zu Hause, in seinem Sonnenzimmer, wie er es gern nennt, blickt von der Morgenzeitung auf und sieht den Männern zu, die auf den vertrockneten Überresten seines Rasens neue, dicke Soden verlegen. Er ist bei der ganzen Sache mit sich im Konflikt: Rasenflächen sind schlecht für die Umwelt, ja, aber er muss auch an den Werterhalt des Hauses, seines Hauses, denken und hat zwei Angebote von Betrieben abgelehnt, die die Sache mit der Herbizidkeule erledigen wollten, und statt dessen diese Leute angeheuert, Amigos von Wilson, die erst mal alles umgegraben und dann Plastikfolien verlegt haben, um das Unkraut kleinzuhalten. Jedenfalls sah der alte Rasen, den er 1993 zusammen mit dem Haus gekauft hat, schon ziemlich zerfressen aus. Jetzt, mit den neuen Soden – sie haben schon zwei lange Bahnen ausgerollt wie Teppiche –, wird er einen perfekten, sattblaugrünen Kentucky-Rasen aus einem von diesen Hochglanz-Magazinen haben und braucht nicht mal zu warten, bis er eingewachsen ist. Und es ist keine Frage der Eitelkeit oder der Konkurrenz mit den Nachbarn oder so, es geht vielmehr um den Schutz seiner Investition, denn sein Haus ist die beste Investition, die er je getätigt hat: ein Schmuckstück im Missionsstil, auf einem Hügel gelegen, zweistöckig, mit geschnitzten Balken in den Wohnräumen und feinsten schmiedeeisernen Gittern, wohin man auch blickt, fast vierhundertfünfzig Quadratmeter Wohnfläche auf sechstausend Quadratmetern Grund und jetzt, zwölf Jahre nachdem er es gekauft hat, viermal soviel wert wie damals. Er hätte es nicht besser machen können, wenn er in eine Goldmine investiert hätte.
Das Sonnenzimmer ist im ersten Stock und liegt nach Süden, und sein Blick geht über die gebeugten Rücken der drei Mexikaner – zwei haben weder Hut noch Mütze, der dritte trägt eine nicht mehr ganz weiße Baseballkappe, auf die er mit schwarzem Filzstift El Jefe geschrieben hat –, über die verputzte Mauer an der Straße und das Dach des Hauses gegenüber auf das fünf Blocks entfernte Meer. Heute – es ist Ende Oktober, und die Luft ist klar und frisch – kann er bis nach Santa Cruz sehen, der unter ihm ausgebreitete Santa-Barbara-Kanal ist wie ein friedlicher kleiner Teich, und die Ölplattformen entlang der Küste sehen aus wie Trittsteine. Um diese Jahreszeit kann der Wind da draußen natürlich jederzeit auffrischen, so dass das Meer im Handumdrehen gefährlich wird, das weiß jeder, und wenn Anise nicht bald auftaucht, wird er sie anrufen und daran erinnern müssen. Aber der Wetterbericht hat leichten bis mäßigen Wind vorausgesagt, und er versucht, sein Verhalten zu ändern, nicht mehr alles kontrollieren zu wollen, nicht mehr so schnell zu explodieren. Sie wird schon noch kommen, denkt er, schiebt sich einen Löffel Müsli in den Mund und sieht, wie das leise Gerücht einer Brise durch die Blätter der Bäume an der Straße streicht.
Ihre Mutter Rita ist in der Stadt, hergeflogen von Port Townsend, Washington. Ihm ist das zwar ziemlich egal, aber Anise nicht, ganz und gar nicht, und wenn sie kommen, falls sie kommen, falls sie alles geregelt kriegen und begreifen, dass die Winde den Kanal regieren und die Sonne zu dieser Jahreszeit früh untergeht, wird er mit ihnen in seinem BMW hinunter zum Yachthafen fahren, an Bord der Paladin gehen und einen Tagesausflug zur Insel machen. Zum Vergnügen. Um mal einen Tag nicht vor dem Büro des Park Service herumzulaufen und – ein durchaus willkommener Nebeneffekt – um die Grenzen der Autorität des Park Service auszuloten: Die Insel ist offiziell für alle Besucher gesperrt, denn das große Schlachten soll im geheimen erfolgen.
Aber schon der Gedanke daran bringt ihn in Rage. Er wirft den Löffel in die Schüssel, schiebt die Zeitung weg, Milch spritzt, der Rattantisch erzittert, und dann ist er auf den Beinen, geht auf dem Terrakottaboden auf und ab, denn er kann nicht sitzen, essen, lesen. Die Hunde spüren seinen Ärger, springen von ihrem Lager in der Ecke auf und kommen zu ihm, ihre Schwänze schlagen an die knochigen Beine, doch er lässt sich nicht beschwichtigen. Es ist, als hätte tief in ihm ein
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