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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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war. Und obgleich sie, wie sie fand, keinerlei Vorurteile hatte, war es doch eigenartig, in einem japanischen Haushalt zu leben – oder vielmehr in einem japanisch-amerikanischen Haushalt, wie sie sich ständig korrigierte.
    Nicht dass Gregs Familie so viel anders gewesen wäre als irgendeine andere Familie – man aß Steaks, Burger, Hot-dogs und so weiter, wenn auch vielleicht mehr Fisch, denn damit verdiente man ja schließlich das Geld. Aber jeder andere Haushalt, und sei es der im Nachbarhaus ihrer Mutter in Venice, wäre ihr ebenso merkwürdig erschienen, besonders in ihrem Zustand. Sie war an Stille und Ordnung gewöhnt, an ein Haus, in dem Frauen aus drei Generationen in Frieden lebten und arbeiteten, ohne die störende Anwesenheit von Männern, Kindern und Haustieren. Hier dagegen herrschte Chaos, hier war alles fremd: Dies war eine neue Gemeinschaft mit neuen Regeln. Die Gerüche waren anders, die kleinen Rituale rund um das Essen, die Regeln, wer wo zu sitzen hatte, der Lärm und das Toben der Kinder und ihrer Freunde, ja selbst die Hunde – zwei Akitas – waren anders als alle, die sie je gesehen hatte: Ihre Köpfe waren breit und flach wie die von Bären, ihre Gewohnheiten undurchschaubar, und wo verrichteten sie eigentlich ihr Geschäft? Immer wieder überraschte Kat sie auf ihrem Bett, und zweimal war die Bettdecke danach verdächtig feucht.
    Es war noch kein Monat vergangen, da begann sie Greg in den Ohren zu liegen, er solle sich nach einer eigenen Wohnung für sie beide umsehen – nichts gegen seine Familie, aber sie brauche ein wenig Privatsphäre –, und als Alma dann geboren war und Kat den ganzen Tag in ihrem Zimmer blieb, um sich nicht schon wieder anhören zu müssen, was ihre Schwiegermutter zum Thema Kinderaufzucht zu sagen hatte, wurde die Sache dringlich. Im Frühjahr des folgenden Jahres 1969 erfüllte sich ihr Wunsch. An einem feuchten, nebligen Abend kam Greg von der Arbeit nach Hause, strich sich das Haar aus dem Gesicht und verkündete mit einer Stimme, der man die Erregung anmerkte, dass sie zum Hafen ziehen würden, auf ein Boot, das er für 3600 Dollar gekauft hatte – ein Drittel war angezahlt, der Rest nach einem Jahr fällig. Wäre das Baby nicht gewesen, dann wäre sie ihm um den Hals gefallen. So legte sie einen Arm um Greg, im anderen hielt sie Alma, und dann tanzten sie im Zimmer herum, bis Gregs Onkel Billy, der in der Nachtschicht arbeitete und das Zimmer unter ihnen hatte, die Treppe hinaufkam und sich beschwerte.
    Die Black Gold war ein Fischerboot, ein umgebautes Zehn-Meter-Kajütboot mit einem offenen Achterdeck aus Fiberglas anstelle der ursprünglichen Holzbeplankung, unter dem sich ein Laderaum für den Fang befand. Die Kajüte und die Kojen befanden sich im Vorschiff. Das Boot verfügte über eine Kombüse, so groß wie ein Kühlschrank, einen Kühlschrank, so groß wie eine Apfelsinenkiste, einen Tisch, der heruntergeklappt werden konnte, wenn er nicht benutzt wurde (also nie), eine winzige, sarggroße Toilette und eine Sperrholzplatte, dekoriert mit einer uralten Schaumstoffmatratze und einem Schlafsack, der eine Mischung modriger Gerüche verströmte. Duschen, Klos und Waschmaschinen gab es im Yachthafen. Kat sagte im Scherz, das Boot gebe eine völlig neue Definition des Begriffs Feuchtigkeit. Jedes Kleidungsstück, jede Windel, jedes Handtuch hätte ebensogut ein Schwamm sein können – das Zeug trocknete nur, wenn die Sonne schien und der Wind auffrischte und die Sachen aufgehängt werden konnten. An den Tagen, an denen das Boot im Hafen lag, wohlgemerkt. Und solche Tage waren, anfangs jedenfalls, selten.
    Sie wurde im Dunkeln von Almas Weinen geweckt, nahm die Kleine mit ins Bett, um sie zu stillen, stand danach auf und machte das Frühstück für Greg: gebratenen Reis, vier Eier, Makrelen oder Abalone oder kanadischen Speck, in der Pfanne gebraten, Käsetoast, Unmengen Kaffee. Und dann, wenn sein Partner Mickey Mans erschien und gleichermaßen verkatert, ausgehungert und stoned aussah, nahm sie das Baby und verbrachte den Tag bei ihrer Schwiegermutter oder ging den ganzen Weg die Anacapa Street hinauf zur Bibliothek, wo sie in Büchern blätterte und mit Alma spielte, bis sie glaubte, vor Langeweile zu ersticken. Aber das Leben war billig, sie hatten ihre Privatsphäre, und jeden Abend wartete sie mit einer Einkaufstüte voller Lebensmittel am Hafen, wenn die Black Gold tuckernd einlief. Sie entwickelte sich zu einer Spezialistin für schnelle, aber

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