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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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liebenswürdig oder fürsorglich oder authentisch er war – er hielt immer etwas zurück. Das war wegen seiner Exfrau. Crystal. Crystal hatte eine eigene Karriere – sie war Geschäftsführerin in einem Bekleidungsgeschäft, das ihr zur Hälfte gehörte – und kapierte nicht im geringsten, was für Opfer er bringen musste, um Feldforschung betreiben zu können, und das war das einzige, was für ihn in Frage kam, denn immer nur an einem Schreibtisch zu sitzen würde ihn umbringen, das war jedenfalls sein Gefühl. Ich bin kein Sesselfurzer , sagte er, als sie bei ihrer dritten oder vierten Verabredung auf dieses Thema zu sprechen kamen. Und dann errötete er und ruderte verlegen zurück, denn ihm war gerade aufgegangen, was er da gesagt hatte. Er stammelte eine Entschuldigung und hoffte, dass sie keinen Anstoß genommen hatte. Ich weiß, dass irgend jemand es machen muss, und dagegen ist ja auch gar nichts einzuwenden, aber – und das hab ich auch zu Crystal gesagt – es tut mir leid: Dieser Jemand bin ich nicht. Noch nicht jedenfalls. Vielleicht, wenn ich alt und klapprig bin.
    »Es heißt morgendliche Übelkeit.«
    »Bist du sicher? Ich meine, besteht die Möglichkeit, dass du dich irrst?«
    Die Überreste der Kalamari sehen ölig und matschig aus, bei dem Anblick flattert ihr Magen. Sie nimmt einen Schluck Diät-Cola und greift nach seiner Hand, doch er zieht sie zurück. Plötzlich steigt Ärger in ihr auf. Er verhält sich kindisch. Wie ein Idiot. »Ich hab den Test dreimal gemacht«, sagt sie leise und ruhig. »Und ich habe einen Termin bei der Gynäkologin, die Paula Myers mir empfohlen hat –«
    »Gynäkologin?« Das Wort tropft wie ein Fluch von seinen Lippen.
    »– damit sie eine Blutuntersuchung macht und es sozusagen amtlich ist. Aber ich bin zu neunundneunzig Prozent sicher.« Und jetzt schwebt sie wieder in luftigen Höhen, ihre Drüsen schütten allerlei Stoffe aus, und das Blut jagt auf Millionen winziger Flügel durch ihre Adern. »Oder nein, zu hundert Prozent.«
    Er sitzt vollkommen steif da, die Hände im Schoß gefaltet. Das zweite Bier steht unberührt auf dem polierten Holz der Tischplatte. Frisch gezapft und von der sich schon wieder entfernenden Kellnerin serviert, verliert es Kohlensäure in einem Wirbel taumelnd aufsteigender Bläschen und wird bald schal sein. Ringsum sitzen Leute, sie essen, lachen, unterhalten sich. Ihre Stimmen verschmelzen und bilden ein gedämpftes Summen, das das schwache Pulsieren der aus verborgenen Lautsprechern sickernden Musik übertönt. Sie befinden sich in einem Restaurant. Es ist laut. Er war zehn Tage fort, sie hat ihm gerade von dem bedeutendsten Ereignis ihres bewusst wahrgenommenen Lebens erzählt, und er sieht sie nicht mal an. Er sieht auf den Tisch. Aus dem Fenster. Auf sein Bier. »Und?« sagt sie.
    »Und was?«
    »Hast du nichts dazu zu sagen? Bist du nicht« – und hier überkommt sie ein Gefühl des Versinkens, als würden die Stuhlbeine schmelzen und und der Boden unter ihr nachgeben –, »ich weiß nicht, interessiert ? Beteiligt? Oder, Gott bewahre, glücklich ?«
    Jetzt sieht er sie an. »Glücklich? Nein, ich bin nicht glücklich – ich bin wie vor den Kopf geschlagen.«
    Sie sieht sein Gesicht, als wäre er weit entfernt – am anderen Ende des Raums oder noch draußen, auf dem Boot –, als würde sie versuchen, es mit einem Fernglas zu betrachten. Sein Mund ist fest verschlossen. Seine Augen sind glanzlos und zusammengekniffen wie die eines Gefangenen in einem Verhörraum. Vielleicht ist es nicht der richtige Zeitpunkt, denkt sie, vielleicht hätte sie wenigstens bis zu Hause warten sollen … aber nein, hier geht es um ihr gemeinsames Leben, das Leben, das kommen wird, und das muss er begreifen, er muss aufwachen und sich dem stellen, er muss mit ihr reden, Entscheidungen treffen, Nägel mit Köpfen machen, er muss ihre Hand nehmen und ihr sagen, dass er sie liebt. »Wir werden heiraten müssen«, sagt sie und vergrößert den Druck – sie kann nicht anders.
    »Ist das ein Heiratsantrag? Wenn ja, sollte ich dann nicht derjenige sein, der ihn macht? Läuft das nicht normalerweise so?« Er greift nach dem Bierglas, hält aber inne. »Was spricht dagegen, die Dinge so zu lassen, wie sie sind?«
    »Alles«, sagt sie, plötzlich zornig, wütend. »Weil ich nicht will, dass unser Sohn – oder unsere Tochter, und ich hoffe sehr, es ist eine Tochter – mit diesem Stigma aufwächst, denn ich kann dir sagen, es war ganz schön schwer

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