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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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sofort nach Hause und ins Bett – oder wollen wir erst ein Bier trinken?«
    »Erst ein Bier.«
    Es ist genau so, wie sie es sich vorgestellt hat: ein Tisch am Fenster, fritierte Kalamari, das blasse Pils schäumt im Glas, die Musik ist ein bloßes Hintergrundgeräusch. »Es gibt gute Nachrichten«, sagt er und taucht ein Stück Kalamari in ein kleines silbernes Schälchen mit Knoblauchsauce, als würde er einen Faden durch ein Nadelöhr ziehen. »Ich glaube, wir haben alle Steinadler bis auf drei oder vier gefangen.«
    Seit vier Tagen malt sie sich aus, was sie zu ihm sagen wird, und stellt sich eine imaginäre Unterhaltung nach der anderen vor, doch jetzt, da es soweit ist, kann sie kaum mehr tun als nicken und lächeln und mit schwacher, zaghafter Stimme sagen: »Toll.«
    »Sie ziehen uns fürs erste von dem Projekt ab, jedenfalls bis zum Frühjahr, wenn man sehen kann, ob es Brutpaare gibt oder nicht, aber Anfang nächsten Jahres, spätestens im Sommer, werden die Steinadler weg sein, und du kannst die Füchse freilassen.« Er trinkt Bier und stopft Kalamari in sich hinein, als wäre er die ganze Zeit schiffbrüchig gewesen und hätte sich nicht den Bauch mit dem vollgeschlagen, was in der Gemeinschaftsküche gekocht worden war. »Ich kann dir sagen«, fährt er fort und schwenkt die Gabel, auf die er ein Stück Kalamari mit Tentakeln gespießt hat, »es ist ganz schön anstrengend da draußen. Die Adler sind jetzt ziemlich auf der Hut. Aber es gibt noch mehr gute Nachrichten: In diesem Augenblick sind drei gesunde, glückliche Steinadler unterwegs in die Sierras, wo sie freigelassen werden, und ein Jungtier, das sich im Netz leider den Flügel verletzt hat, wird eine neue Heimat im Zoo von Santa Barbara finden.«
    Und was sagt sie dazu? »Toll.«
    »Und was ist mit dir? Ist deine Mutter noch da?«
    »Sie ist gestern gefahren – Ed hat ein Golfturnier oder so und musste wieder zurück.«
    »War alles gut? Ich meine, dass sie hier waren? Und das Konzert? Wie war das?«
    »Toll.«
    Er hält inne, hält nach der Bedienung Ausschau, um noch ein Bier zu bestellen, während zwei Möwen auf dem Geländer jenseits der raumhohen Fenster ihn hoffnungsvoll mustern, und wendet sich dann wieder zu ihr, als hätte er jetzt erst entdeckt, dass sie da ist. »Aber was ist los? Du trinkst ja gar nichts. Ich dachte« – und hier senkt er die Stimme, um den sexuellen Subtext zu betonen: zehn Tage getrennt, und zu Hause erwartet sie ein großes, weiches Bett –, »du würdest zur Begrüßung wenigstens ein Glas Wein mit mir trinken. Freust du dich nicht, mich zu sehen?«
    Bevor sie sich bremsen kann, ist es heraus: »Ich kann nichts trinken.«
    Er hat das noch überhaupt nicht verarbeitet – sie sieht sein verwundertes Stirnrunzeln –, als die Kellnerin am Tisch steht und sie fragt, ob sie noch etwas bestellen möchten. »Für Sie ein Firestone?« fragt sie Tim. Er nickt. Und dann zu Alma: »Und für Sie wieder eine Diät-Cola?«
    »Nein«, haucht sie, »für mich nichts.«
    »Wollen Sie noch etwas zu essen bestellen oder –?«
    »Klar«, sagt Tim und grinst sie an, »solange Sie noch was haben. Sie haben doch noch was?«
    Die Kellnerin grinst zurück. Er gibt seine Bestellung auf, und dann kommen die üblichen Nachfragen: »Den Muscheltopf mit Pommes frites oder Coleslaw? Der gemischte Salat ist übrigens mit Ranch-Dressing, die Suppe ist Clamchowder.« Als das geklärt ist und die Kellnerin sich entfernt hat, sieht Tim Alma tief in die Augen und sagt: »Im Ernst? Du hast dem Alkohol abgeschworen?«
    »Ich bin schwanger.«
    Sein Grinsen erstirbt, ersteht wieder auf und wird so breit, als hätte er seine Gesichtsmuskeln nicht ganz unter Kontrolle. »Was? Was sagst du da?«
    »Ich bin schwanger.«
    »Das ist ein Witz, oder?«
    »Ich hab’s erst vor vier Tagen gemerkt. Als meine Mutter da war. Ich habe meine Periode nicht bekommen, aber ich habe … ich meine, ich habe mir nichts dabei gedacht, bis ich mich dann morgens immer übergeben musste und –«
    »Übergeben? Wieso übergeben?«
    Sein Gesicht hat sich verändert, es ist so hart geworden, dass die Poren akzentuiert sind, und die sonnenverbrannte Haut wirkt stumpf und müde. Der Ausdruck in seinen Augen gefällt ihr nicht, ebensowenig wie die verkniffenen Lippen und die heruntergezogenen Mundwinkel. Als sie sich kennengelernt haben, bekam er in den ersten Wochen, bevor er anfing, sich zu entspannen, auch immer diesen Ausdruck, denn ganz gleich, wie witzig oder

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