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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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war zu heiß, aber sie trank ihn trotzdem, lauschte auf das enervierende Rauschen der Dusche und erinnerte sich daran, dass sie nichts gegessen hatte, weil er das Abendessen abbestellt, eine Szene gemacht und sich wie ein Kretin benommen hatte. Wie ein Mistkerl. Ein kleiner Mistkerl, der nicht erwachsen werden wollte, der kein Mann war und nie einer sein würde. Nach einer Viertelstunde – er duschte nicht, er ließ den ganzen Cachuma-Stausee durch den Abfluss und ins Meer laufen – stand sie vom Küchentisch auf, hängte sich die Handtasche über die Schulter und ging die Straße hinunter zu Giancarlo, um eine Pizza Margarita und einen Salat zu essen. Giancarlo umsorgte sie und war zu taktvoll, um nach Tim zu fragen. Sie gönnte sich ein Glas Chianti, nur ein einziges Glas, und als sie nach Hause ging, ging es ihr bereits besser, wenn auch nur ein wenig. Tims Reaktion war kleinlich gewesen, gemein, verletzend – im Grunde unentschuldbar –, aber die ganze Sache war so plötzlich über ihn hereingebrochen, dass er keine Gelegenheit gehabt hatte, sich zu sammeln, darüber nachzudenken, an sie zu denken und daran, wie sie sich fühlte. Er würde sich wieder fangen, dessen war sie sicher. Sie musste ihm eine Chance geben. Er war ihr Mann. Der Vater des Kindes, das in ihr wuchs. Sie liebte ihn. Er liebte sie. Dessen war sie sicher.
    Sie beschleunigte die Schritte und stellte sich ihn im dampfigen Badezimmer vor, wie er aus der Duschkabine trat, mit schlanken, arbeitsgestählten Muskeln, einem feuchten Schimmer auf den Haaren rings um seine Brustwarzen, tropfendem Kinn und nassen Wimpern. Die Lichter der Geschäfte und Restaurants waren vom Nebel weichgezeichnet. Die Eukalyptusbäume erhoben sich weißgliedrig aus den Schatten. Wagen fuhren langsam vorüber. Auf der anderen Straßenseite glitt mit lautlosen, geschmeidigen Bewegungen ein Jogger vorbei. Sie fühlte sich wieder lebendig, sie schwang die Arme, und die Absätze ihrer Schuhe klickten auf dem Bürgersteig. Als sie, den Schlüssel in der Hand, vor der Tür stand, dachte sie an Versöhnung, ja, mehr noch: an Verführung – auch sie hatte zehn Tage keinen Sex gehabt – und an das Negligé, das ganz hinten in der Schublade mit der Unterwäsche lag.
    Der Schlüssel drehte sich im Schloss, die Tür schwang auf. Dass Tim den Rucksack weggebracht hatte, dass der Rucksack fort war, bemerkte sie erst, als sie seinen Namen rief und keine Antwort bekam. Auf dem Badezimmerboden lagen zwei nasse Handtücher. Die Schranktür stand offen, und davor lagen seine schmutzigen Stiefel auf einem Haufen schmutziger Wäsche. Sein Lieblingshemd, ein Geschenk von ihr – schwarz mit tropischen Blumen in leuchtenden Gelbtönen –, fehlte, ebenso wie das Jackett, das er gern dazu trug. Und seine roten Converse.
    Sie sah sich einen Film an, dessen Handlung kaum zu ihr durchdrang, und ging um zwölf zu Bett. Er kam nicht nach Hause. Nicht an diesem Abend und auch nicht am nächsten, und auf dem Handy wollte sie ihn nicht anrufen, diese Genugtuung gönnte sie ihm nicht. Zum Teufel mit ihm. Von ihr aus konnte er sich verkriechen und sterben. Sie führte ihr Leben, als existierte er nicht, war kühl zu Alicia und gleichgültig gegenüber den Demonstranten, fuhr wie in Trance zur Arbeit und wieder nach Hause, kochte für eine Person und verlor sich in Micah-Stroud-Songs und idiotischen Fernsehfilmen. Als sie am dritten Tag heimkam, deutete einiges darauf hin, dass Tim dagewesen war – die Converse lagen vor dem Schrank, dafür waren die Stiefel verschwunden, ebenso wie die schmutzige Wäsche –, doch auch an diesem Abend kam er nicht. Sie rief ihre Mutter an, weil sie mit jemandem reden musste, und die verbrachte, untermalt vom arhythmischen Klirren der Eiswürfel in ihrem Cocktailglas, eineinhalb wodkabefeuerte Stunden damit, über Tims Charakter, sein Aussehen, seine Erziehung und Intelligenz herzuziehen, doch das riss das Loch in ihr nur noch weiter auf, bis es so groß war, dass man ganz Santa Cruz darin hätte versenken können. Schließlich, am fünften Tag, hinterließ er ihr eine Nachricht am Kühlschrank, unter einem Magneten in Form eines im Profil dargestellten Fuchses. Tut mir leid , stand da, ich weiß, dass es falsch ist, aber so fühle ich mich nun mal. Ich bin einfach noch nicht bereit dafür. Und darunter, überflüssigerweise: Tut mir leid, Tim .
    Am nächsten Tag war er da, als sie nach Hause kam. Auf dem Tisch standen Blumen, er hatte gekocht, und ausgehungert nach

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