Grün war die Hoffnung
in Richtung Meer stürzt – Wasser über Wasser –, als sie dort unten etwas bemerkt. Eine Bewegung. Etwas Farbiges. Es können nicht Clive und A. P. sein. Es können nicht die Hunde sein. Oder die Schweine. Oder irgendein anderes Schwein. Denn die Farbe – es bewegt sich, ganz eindeutig – ist falsch. Die Farbe, und hier ruft sie Frazier zu, er soll stehenbleiben, während sie den Rucksack absetzt und das Fernglas aus dem Seitenfach holt, ist ein leuchtendes Rosarot.
CROTALUS VIRIDIS
Das Boot ist fort, weil Wilson von der Küstenwache vertrieben worden ist, die sich der Paladin genähert und ihn per Megaphon aufgefordert hat, den Anker zu lichten und die Bucht zu verlassen, da die Insel und die Küstengewässer auf unbestimmte Zeit für alle Besucher gesperrt seien, so dass Wilson nichts anderes übriggeblieben ist, als brav in Richtung Ventura zu fahren und im Schutz der Dunkelheit zurückzukehren, aber das weiß Dave nicht. Er weiß nur, dass die Dinge sich absolut beschissen entwickelt haben und er eine tote Frau, drei unterkühlte Möchtegernsaboteure und eine zitternde, schweigsame und stinksaure Reporterin an der Backe hat. Außerdem sind sie durchnässt, es regnet immer wieder, die Temperatur liegt bei etwa fünf Grad, und sie könnten allesamt hier draußen sterben, wenn sie nicht bald einen Unterschlupf finden und ein Feuer machen. Aber ein Feuer ist riskant. Was sie brauchen, ist Wilson und das Boot mit voll aufgedrehter Kajütenheizung, trockenen Sachen und einer heißen Nudelsuppe oder einem Kaffee – irgendwas, was die Kälte vertreibt.
»Dave. Dave .« Jemand ruft ihn im Dunkeln, ein schwebendes Gesicht, das vom Widerschein der fernen Lichter, der unter den Wolken vom Festland herübersickert, ganz schwach erleuchtet wird, und er stapft aus der Brandung, die zischend seine Knöchel umspült, und sieht, dass es Josh ist. »Hör mal, Dave« – Josh zittert so sehr, dass er die Worte kaum herausbringt –, »wir müssen ein Feuer machen, uns ist eiskalt.«
»Nein«, sagt er, und ihm ist ebenfalls eiskalt, »zu gefährlich.«
»Tja, gefährlich oder nicht – die Frauen sammeln jedenfalls Treibholz, und Suzanne hat Streichhölzer, die man überall anzünden kann, in einem Plastikdöschen, damit sie nicht feucht werden. Wir wollen ein Feuer machen, ein großes Feuer. Ein Signal für Wilson.« Er hält inne, niest und führt eine körperlose Hand zum Gesicht. »Wo ist der überhaupt?«
»Warte. Ein paar Minuten. Er wird schon kommen.«
»Und dann?«
»Dann gehen wir an Bord, ziehen uns was Trockenes an und setzen uns an die Heizung, damit uns warm wird.«
»Was ist mit Kelly?«
»Wir nehmen sie mit.«
Joshs Stimme ist hart, wütend und kurz davor zu brechen. »Ihr wird nicht warm werden. Nie mehr.«
Er braucht seine ganze Kraft, sich im Zaum zu halten, seine Emotionen niederzukämpfen, sich zu beherrschen, denn er ist derjenige, der bis zum Hals in der Scheiße steckt und den sie sich greifen werden, und er überlegt seit einer Stunde, was er tun soll. Er könnte sagen, dass sie vom Boot gefallen ist, aber er hat auch schon mal CSI gesehen: Sie werden in ihrer Lunge nicht Salz-, sondern Süßwasser finden. Vielleicht waren sie auf West-Anacapa wandern, und sie ist ausgerutscht und in eine Pfütze gefallen, eine große Pfütze, eigentlich schon eher ein Teich, und bevor sie ihr zu Hilfe kommen konnten … Aber was ist mit Toni Walsh? Sie wird sich nicht für ihn aus dem Fenster hängen. Toni Walsh hat ihre Story, und darin wird zweifellos stehen, dass er an allem schuld ist. Unverantwortlich. Widerrechtlich. Leichtsinnig. Eine junge Frau tot, und wofür? Schließlich sagt er: »Das ist nicht zu ändern. So was« – er weiß, wie falsch das klingt – »kann eben passieren.«
»So was kann passieren? Wir sprechen von Kelly. Kelly ist tot, kapierst du das nicht?« Irgendwo in der Dunkelheit sammeln die anderen Treibholz, ihre Stimmen sind halblaut, ihre Schritte zischen auf dem Kiesstrand. Die Wellen brechen sich und weichen wieder zurück. Es riecht nach Moder. »Wir müssen die Polizei rufen«, sagt Josh. Seine Stimme klingt dünn und gepresst, als würde er gewürgt. »Wir müssen das melden. Sie werden kommen und … sich um den Leichnam kümmern. Ich meine, wir müssen ihnen per Funk Bescheid sagen, wenn wir auf dem Boot sind.«
Dave gibt keine Antwort. Und er macht keine Einwände, als es Suzanne mit ihren Streichhölzern, etwas Zeitungspapier, das sie in einer Plastiktüte trocken
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