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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Die Frage ist, ob man auf ihn zählen kann.
    »Wisst ihr, was wir machen? Wir bringen Kelly ins Cottage Hospital. Sie ist bei einem Unfall ums Leben gekommen, niemand war schuld. Und was wir heute hier draußen gemacht haben, geht keinen was an, habe ich recht?«
    Das Feuer knackt und zischt. Ein stinkender Rauchschwall treibt ihnen ins Gesicht, fährt zurück und wird von der Brise davongeweht. Nach einer Weile sagt Wilson leise: »Ich bin deiner Meinung. Wir brauchen uns von diesen pendejos nichts anzuhören. Ich meine, wer sind die schon?«
    »Genau.«
    Er, Wilson und Josh setzen sich auf der windabgewandten Seite des Feuers in Bewegung und gehen das kurze Stück über den Strand dorthin, wo der in einen dunklen Poncho gewickelte Leichnam liegt. Sie heben ihn hoch, Dave vorn, Josh in der Mitte, Wilson hinten. Das Gewicht ist erstaunlich, verdichtet, gewaltig, aber sie schaffen es tatsächlich bis zum Schlauchboot, bevor einer der Jäger ruft: »He, was macht ihr da?« und alle wieder angerannt kommen, sogar die Hunde.
    Seine nassen Stiefel sind plötzlich noch nasser, die Socken saugen sich voll, Meerwasser schäumt um seine Schienbeine. Es ist schwer, die Leiche zu halten, und es ist schwer, irgend etwas zu erkennen, denn der schwarze Boden des Schlauchboots sieht aus wie ein Loch in der Erde – Wie ein Grab, denkt er –, aber er zögert keinen Moment. »Was soll das?« ruft der Mann, doch die drei, die schon wieder ganz nass sind, ignorieren ihn und legen ihre Last ins Boot. Wilson nimmt die Leine und macht sich daran, es ins Wasser zu ziehen.
    Dies ist nicht der rechte Augenblick für vernünftige Argumente, für Erwägungen und Diskussionen. Er hat es satt, es hängt ihm zum Hals raus, und als ihm einer die Hand auf den Arm legt, schüttelt er sie so heftig ab, dass er beinahe das Gleichgewicht verliert. »Fass mich nicht an«, sagt er, und seine Stimme ist leise und ruhig, denn er ist jetzt zu allem bereit, er ist jenseits von Bedrohungen, Berechnungen oder auch nur Rücksichtnahmen. »Was willst du jetzt tun – mich erschießen? Na los, nur zu, du Arsch. Das hier ist unser Problem, unsere« – er will sagen »Genossin«, besinnt sich aber –, »unsere Freundin. Kelly. Und wir werden jetzt tun, was wir tun wollten, als Sie« – er fuchtelt in Almas Richtung – »und Ihre Söldner sich eingemischt haben.«
    »Ihr könnt doch nicht –« stottert sie und macht sogar einen Schritt auf ihn und die Brandung zu, doch ihr scheinen die Worte für das, was sie nicht können, zu fehlen.
    »Was können wir nicht?« erwidert er, und jetzt brüllt er wütend. »Leben? Atmen? Unschuldige Tiere retten? Mit dem Leichnam dieser Frau, die ihr noch nie im Leben gesehen habt, in unser eigenes Boot steigen? Eure verdammte Scheißinsel verlassen?«
    Sie stehen als Silhouetten im Halbkreis um ihn herum. Hinter ihnen lodert das Feuer. Das Wasser ist kalt wie Eis. Das Schlauchboot scheuert auf dem Sand, die Leine ist straff gespannt, auch Josh schiebt. Er macht sich nicht die Mühe, Versucht’s doch zu sagen oder zu wiederholen, dass sie hier keine Befehlsgewalt haben, denn damit würde er jetzt nur noch seinen Atem verschwenden. »Steig ein, Josh«, sagt er. »Und alle, die mitkommen wollen, ebenfalls.«
    Die Wellen zerren an dem Boot. Er steht bis zu den Oberschenkeln im Wasser. »Cammy?« ruft er in die Dunkelheit. »Suzanne? Wollt ihr mit?« Er wartet ein, zwei Sekunden. »Na gut«, sagt er dann, »wie ihr wollt. Wir sind jedenfalls weg.«
    Und als einer der Jäger – im Dunkeln kann er nicht erkennen, welcher es ist – ihn festhält, ist er bereit, mehr als bereit: dieser Scheißkerl, dieses strohdumme, jämmerliche, menschenähnliche Arschloch, das meint, ihn aufhalten zu müssen! Er packt ihn und ringt ihn nieder ins Wasser, wo sie beide untergehen, und in dem entscheidenden Moment, da einer von ihnen aufgeben oder ertrinken muss, reißt er sich los, springt auf den Außenwulst des Schlauchboots und tritt mit allem Hass, den er aufbringen kann, in das taumelnde, einem weißen Ball gleichende Gesicht des Mannes. Sie schreien Flüche. Er schreit zurück. »Na los, schießt doch«, brüllt er. »Na los!« Und dann springt der Motor an, das Boot wendet, und das Meer rauscht unter ihm dahin und nimmt alle Last von ihm.
    Die Erleichterung ist von kurzer Dauer. Kaum auf dem Wasser, sind sie schon wieder in Schwierigkeiten. Wegen des Sturms ist die See rauh, das leichte Boot wird von den Wellen hin und her geworfen, und ein

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