Grün wie die Hoffnung: Roman (German Edition)
wieder in seine Welt zurückzugehen, quälte ihn ebenso wie der Gedanke, in dieser Welt zu sterben und sein Zuhause niemals wiederzusehen. Er konnte sich nicht vorstellen, den Rest seines Lebens ohne die Frau zu verbringen, die diesem Leben einen neuen Sinn gegeben hatte.
Sie mussten in eine Schlacht ziehen und mit Schwert und Lanze kämpfen, aber auch in ihm tobte ein Kampf, der ihm das Herz zerriss.
Er beobachtete sie vom Turmfenster aus, als sie Moira und Larkin beim Schwertkampf oder in weniger kämpferischen Posen fotografierte.
Ihre Verletzungen waren so weit verheilt, dass sie sich nicht mehr steif oder langsam bewegte. Aber er würde nie vergessen, wie sie blutend am Boden gelegen hatte.
Ihre Art, sich zu kleiden, erschien ihm nicht mehr fremdartig, sondern passend und angemessen für sie. Die Art, wie sie sich in der dunklen Hose und der weißen Bluse bewegte, die leuchtenden Haare unordentlich hochgesteckt, erschien ihm als äußerste Anmut.
In ihrem Gesicht sah er Schönheit und Leben. In ihrem Geist Intelligenz und Neugier. Und in ihrem Herzen Mitgefühl und Mut.
In ihr hatte er alles gefunden, was er sich jemals gewünscht hatte, ohne überhaupt zu wissen, dass es ihm fehlte.
Natürlich hatte er kein Recht auf sie. Über die Zeit ihrer Aufgabe hinaus hatten sie beide kein Recht aufeinander. Wenn sie weiterlebten, wenn die Welten weiter existierten, würde er in seine Welt zurückgehen, während sie in ihrer blieb.
Selbst Liebe konnte tausend Jahre nicht überbrücken.
Liebe. Bei dem Wort schmerzte ihm das Herz, und er presste seine Hand darauf. Das also war Liebe. Das Nagen, das Brennen. Das Licht und die Dunkelheit.
Nicht nur warme Haut und leises Murmeln im Kerzenschein, sondern Schmerz und Klarheit im Licht des Tages. In den Tiefen der Nacht. Alles andere wurde unwichtig, wenn man so viel für einen Menschen empfand.
Und es machte ihm schreckliche Angst.
Er war kein Feigling. Er war ein Zauberer von Geburt und ein Krieger aufgrund der Umstände. Er hatte den Blitz in der Hand gehalten und den Wind angerufen. Er hatte Dämonen getötet und zwei Mal deren Herrscherin gegenübergestanden.
Und er konnte doch sicher auch der Liebe entgegentreten. Liebe konnte ihn nicht zerschmettern, töten oder seiner Macht berauben. Wie feige war er dann, dass er davor zurückschreckte?
Aus einem Impuls heraus verließ er das Zimmer und lief die Treppe hinunter. Als er an der Tür zum Zimmer seines Bruders vorbeikam, hörte er Musik – leise, düstere Klänge. Es war Trauermusik.
Wenn sein Bruder bereits wach war, waren auch andere seiner Art bereits erwacht. Gleich würde die Sonne untergehen. Rasch lief er durch die Küche, wo etwas auf dem Herd köchelte, hinaus in den Garten.
Larkin vergnügte sich damit, sich immer wieder in einen goldenen Wolf zu verwandeln, während Glenna Entzückensrufe ausstieß und ihn mit der kleinen Maschine, die Abbilder machte – die Kamera, rief er sich ins Gedächtnis -, von allen Seiten fotografierte.
Dann verwandelte er sich wieder in einen Mann und posierte hochmütig mit dem Schwert.
»Jetzt siehst du besser aus als der Wolf«, erklärte Moira. In einer gespielten Attacke hob er das Schwert und setzte ihr nach. Ihre Schreie und ihr Lachen waren ein solcher Gegensatz zu der traurigen Musik seines Bruders, dass Hoyt staunend stehen blieb.
Es gab also immer noch Lachen auf der Welt. Immer noch Zeit und das Bedürfnis nach Spiel und Vergnügen. Auch wenn die Dunkelheit näher kam, es gab immer noch Licht.
»Glenna.«
Sie drehte sich fröhlich lächelnd um. »Oh, perfekt! Bleib genau da stehen. Genau da, mit dem Haus im Rücken.«
»Ich möchte …«
»Schscht. Gleich ist das Licht weg. Ja, ja, genauso. Angespannt und verärgert. So ist es wunderbar! Ich wünschte, wir hätten genug Zeit, um deinen Umhang von drinnen zu holen. Du bist förmlich dazu geschaffen, ihn zu tragen.«
Sie veränderte den Blickwinkel, hockte sich hin und fotografierte ihn von unten. »Nein, sieh mich nicht an. Blick über meinen Kopf hinweg, tief in Gedanken versunken. Blick in die Bäume.«
»Ganz gleich, wo ich hinsehe, ich sehe immer nur dich.«
Sie ließ die Kamera einen Moment lang sinken. Vor Freude wurde sie rot. »Du willst mich nur ablenken. Schenk mir mal diesen Hoyt-Blick. Schau in die Bäume, ernster Zauberer.«
»Ich möchte mit dir reden.«
»In zwei Minuten.« Sie machte noch ein paar Aufnahmen, dann richtete sie sich auf. »Ich brauche noch irgendein Utensil«,
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