Grün wie die Hoffnung: Roman (German Edition)
sie hochfuhren, schniefte sie. »Ich glaube, ich kann deinen Bruder nicht leiden.«
»Ich bin im Moment selber nicht so glücklich über ihn.«
»Na ja. Kannst du fliegen?«
»Nein.« Er warf ihr einen Blick zu. »Du?«
»Bis jetzt noch nicht.«
5
Die Stimmen weckten sie. Sie waren so leise, dass sie zuerst befürchtete, wieder eine Vision zu haben. Sosehr sie auch ihre Kunst schätzte, Schlaf war ihr ebenfalls wichtig – vor allem nach einem Abend voller Martinis und seltsamen Enthüllungen. Glenna griff nach dem Kissen und zog es sich über den Kopf.
Ihre Meinung über Cian hatte sich ein wenig gebessert, als sie das Gästezimmer gesehen hatte. Das prächtige Bett mit der hübschen Bettwäsche und genügend Kissen befriedigte sogar ihren Hang zum Luxus.
Es hatte auch nicht geschadet, dass das Zimmer groß war, mit Antiquitäten eingerichtet und in warmen Grüntönen gehalten war. Auch das Badezimmer war der Hammer gewesen, dachte sie jetzt, als sie sich noch einmal unter die Decke kuschelte. Eine riesige Jet-Wanne in strahlendem Weiß beherrschte einen Raum, der halb so groß war wie ihre gesamte Wohnung. Die Ablagen waren ebenfalls waldgrün. Das größte Vergnügen jedoch hatte ihr das Waschbecken in gehämmertem Kupfer bereitet.
Beinahe hätte sie der Versuchung nachgegeben, sich in der Wanne zu aalen und ein paar der Badesalze und -öle auszuprobieren, die in schweren Kristallgläsern neben dicken, glänzenden Kerzen auf der Ablage standen. Aber dann waren ihr die Filme eingefallen, in denen die badende Heldin von Vampiren überfallen wurde, und sie hatte von der Idee lieber Abstand genommen.
Auf jeden Fall stellte das Pied-à-terre des Vampirs – einen solchen Luxus konnte man ja wohl kaum als Wohnung bezeichnen – ihr kleines Loft im West Village völlig in den Schatten.
Sie bewunderte zwar seinen Geschmack, hatte die Schlafzimmertür nach dem Abschließen aber dennoch mit einem Schutzzauber versehen.
Jetzt rollte sie sich auf den Rücken, schob das Kissen beiseite und starrte an die Decke. Sie hatte im Gästezimmer eines Vampirs geschlafen. Ein Zauberer aus dem zwölften Jahrhundert hatte deswegen mit dem Sofa vorliebnehmen müssen. Ein prachtvoller, ernsthafter Typ, der eine Mission erfüllen wollte und von ihr erwartete, das sie mit ihm zusammen den Kampf gegen eine uralte, mächtige Vampirkönigin führte.
Sie hatte ihr ganzes Leben mit Magie verbracht und besaß Fähigkeiten, von denen die meisten Menschen noch nicht einmal etwas ahnten. Aber das hier überstieg selbst ihr Vorstellungsvermögen.
Sie mochte ihr Leben, so wie es war, wusste zugleich jedoch auch, dass sie es so nie wieder würde führen können. Vielleicht kam sie sogar noch nicht einmal mehr hierhin zurück?
Aber was für eine Wahl hatte sie schon? Schließlich konnte sie nicht einfach den Kopf in den Sand stecken und so tun, als wäre nichts geschehen. Es kannte sie und hatte ihr bereits einen Boten gesandt.
Wenn sie hier blieb, konnte es sie zu jeder Zeit und überall angreifen. Und dann wäre sie alleine.
Würde sie sich von jetzt an im Dunkeln fürchten? Sich jedes Mal nach Sonnenuntergang draußen ängstlich umschauen? Sich fragen, ob ein Vampir, den nur sie sehen konnte, in die Subway glitt, wenn sie das nächste Mal in die Stadt fuhr?
Nein, so konnte sie nicht leben. Ihre einzige Möglichkeit war, sich dem Problem zu stellen und mit der Angst umzugehen. Und ihre Macht und ihre Fähigkeiten mit denen Hoyts zu vereinen.
An Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken, auch wenn es noch unmöglich früh war. Resigniert verdrehte sie die Augen und sprang aus dem Bett.
Im Wohnzimmer ließ Cian seine Nacht mit einem Brandy und einem Streit mit seinem Bruder ausklingen.
Als er im Morgengrauen nach Hause gekommen war, hatte er sich einsam und leer gefühlt. Bei Tageslicht nahm er keine Frau mit, auch nicht, wenn die Vorhänge zugezogen waren. Seiner Meinung nach machte Sex einen verletzlich, und diese Verletzlichkeit wollte er mit niemandem teilen, wenn die Sonne aufgegangen war.
Tagsüber hatte er nur selten Gesellschaft, und die Stunden zwischen Sonnenaufgang und Dämmerung waren oft lang und öde. Allerdings stellte er jetzt fest, dass er die Langeweile der anstrengenden Gegenwart seines Bruders vorzog.
»Du erwartest von ihr, dass sie hier bleibt, bis du dir den nächsten Schritt überlegt hast. Und ich sage dir, das ist nicht möglich.«
»Wie soll sie denn sonst in Sicherheit sein?«, widersprach
Weitere Kostenlose Bücher