Grün wie die Hoffnung: Roman (German Edition)
Hoyt.
»Ich glaube nicht, dass ihre Sicherheit auf der aktuellen Liste meiner größten Sorgen steht.«
Wie sehr sich sein Bruder doch verändert hatte, dachte Hoyt angewidert. Früher hätte er einer Frau, einem unschuldigen Geschöpf, sofort geholfen. »Wir sind alle in Gefahr, jeder Einzelne von uns. Wir haben gar keine andere Wahl, als zusammenzubleiben.«
»Ich habe sehr wohl eine Wahl, und ich werde meine Wohnung nicht mit einer Hexe teilen. Und wenn du darauf bestehst, auch nicht mit dir«, fügte er hinzu. »Ich dulde es nicht, dass sich hier tagsüber jemand aufhält.«
»Ich war gestern doch auch den ganzen Tag hier.«
»Das war eine Ausnahme.« Cian erhob sich. »Und eine, die ich bereits bedaure. Du verlangst viel zu viel von jemandem, dem so gut wie alles gleichgültig ist.«
»Ich habe noch nicht einmal angefangen, etwas zu verlangen. Ich weiß, was getan werden muss. Du hast doch von Überleben gesprochen. Nun, auch dein Leben ist in Gefahr, genauso wie ihres oder meins.«
»Sogar noch mehr, weil dein Rotschopf es sich möglicherweise in den Kopf setzt, mich mit einem Holzpflock zu durchbohren, während ich schlafe.«
»Sie ist nicht mein …« Hoyt winkte frustriert ab. »Ich würde nie zulassen, dass sie dir etwas antut. Das schwöre ich dir. An diesem Ort, in dieser Zeit bist du meine einzige Familie. Mein einziger Blutsverwandter.«
Cians Gesicht wurde ausdruckslos. »Ich habe keine Familie. Und auch das Blut ist nur mein eigenes. Je eher du das begreifst, Hoyt, und akzeptierst, desto besser wird es für dich sein. Was ich tue, tue ich nur für mich, nicht für dich. Auch nicht für deine Sache, sondern nur für mich. Ich habe gesagt, ich kämpfe an deiner Seite, und das tue ich auch. Aber nur aus meinen Gründen.«
»Was sind denn deine Gründe? Nenn sie mir doch wenigstens.«
»Ich mag diese Welt.« Cian ließ sich auf der Armlehne eines Sessels nieder und trank einen Schluck Brandy. »Mir gefällt, was ich mir davon genommen habe, und ich möchte es behalten, und zwar nach meinen Regeln und nicht nach Liliths Launen. Dafür will ich kämpfen. Außerdem gibt es langweilige Phasen, wenn man viele Jahrhunderte lebt, und anscheinend befinde ich mich gerade in einer solchen Phase. Aber ich habe auch meine Grenzen. Und dass du deine Frau in meiner Wohnung unterbringst, geht zu weit.«
»Sie ist wohl kaum meine Frau.«
Cian verzog die Lippen zu einem trägen Lächeln. »Wenn du sie nicht dazu machst, bist du auf diesem Gebiet sogar noch langsamer, als ich mich erinnere.«
»Das ist kein Wettkampf, Cian. Es ist ein Kampf auf Leben und Tod.«
»Ich weiß mehr vom Tod, als du jemals erfahren wirst. Mehr als du von Blut und Schmerzen und Grausamkeit. Jahrhundertelang habe ich die Sterblichen immer und immer wieder beobachtet, habe gesehen, wie sie sich selber auslöschen. Wenn Lilith geduldiger wäre, bräuchte sie einfach nur abzuwarten. Nimm dir die Freuden, wo du sie finden kannst, Bruder, denn das Leben ist lang und oft öde.«
Er hob sein Glas und prostete Hoyt zu. »Noch ein Grund, warum ich kämpfen will. Damit ich etwas zu tun habe.«
»Warum schließt du dich dann nicht ihr an?«, erwiderte Hoyt böse. »Ihr, die dich zu dem gemacht hat, was du bist?«
»Sie hat aus mir einen Vampir gemacht. Was ich bin, habe ich selber aus mir gemacht. Und warum ich mit dir und nicht mit ihr kämpfen will? Dir kann ich vertrauen. Du hältst dein Wort, weil du so bist. Sie wird es nie halten. Es liegt einfach in ihrer Natur.«
»Und was ist mit deinem Wort?«
»Interessante Frage.«
»Ich wüsste gerne die Antwort darauf.« Glenna stand im Türrahmen. Sie trug den schwarzen Seidenmorgenmantel, den sie im Schrank zusammen mit anderen intimen weiblichen Wäschestücken gefunden hatte. »Ihr zwei könnt euch meinetwegen pausenlos streiten, das machen Männer und vor allem Geschwister ja gerne. Aber wenn es um mein Leben geht, möchte ich gerne wissen, womit ich zu rechnen habe.«
»Ich sehe, du fühlst dich schon wie zu Hause«, kommentierte Cian.
»Möchtest du ihn zurückhaben?«
Sie griff nach dem Gürtel und begann ihn aufzuknoten. Cian grinste. Hoyt errötete.
»Ermutige ihn nicht«, sagte er. »Wenn du uns bitte einen Moment entschuldigen würdest …«
»Nein, das werde ich nicht. Ich möchte die Antwort auf deine Frage hören. Und ich möchte wissen, ob dein Bruder nicht vielleicht ein bisschen Hunger hat. Er sieht mich an wie eine Zwischenmahlzeit.«
»Ich ernähre mich nicht von
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