Grün wie die Hoffnung: Roman (German Edition)
auf, als der Mann sich wieder in den Verkehr einfädelte.
»Ich verstehe selbst nicht so viel davon«, sagte sie durch das Dröhnen der indischen Musik aus dem Radio. »Wir sitzen in einem Taxi, einer Art Auto. Es läuft mit einem Verbrennungsmotor, der von Benzin und Öl angetrieben wird.«
Sie tat ihr Bestes, um ihm Ampeln, Zebrastreifen, Wolkenkratzer, Kaufhäuser und was ihr sonst noch so in den Sinn kam, zu erklären. Es war, als sähe sie die Stadt selbst zum ersten Mal, und es begann ihr zu gefallen.
Er hörte aufmerksam zu, und sie sah ihm an, dass er alle Informationen, alles, was er sah, hörte und roch, wie in einer inneren Datenbank speicherte.
»Es sind so viele.« Er sagte es leise, und sein bekümmerter Tonfall ließ sie aufhorchen. »So viele Menschen«, fuhr er fort und starrte aus dem Seitenfenster. »Und sie wissen nicht, was kommt. Wie sollen wir sie nur alle retten?«
Es durchfuhr sie wie ein Messerstich. So viele Menschen, ja. Und das war nur ein Teil einer Stadt in einem Bundesland. »Wir können nicht alle retten. Das kann man nie.« Sie griff nach seiner Hand und drückte sie. »Denk nicht an die vielen Menschen, sonst wirst du verrückt. Wir machen einen Schritt nach dem anderen.«
Sie bezahlte das Taxi, als sie angekommen waren – und dachte dabei an ihre Finanzen und wie sie dieses kleine Problem in den nächsten Monaten bewältigen sollte. Wieder griff sie nach Hoyts Hand, als sie auf dem Bürgersteig standen.
»Das ist mein Gebäude. Wenn wir drinnen jemandem begegnen, lächelst du einfach charmant. Die Leute werden denken, ich bringe einen Liebhaber mit nach Hause.«
Schockiert blickte er sie an. »Machst du so etwas?«
»Ab und zu.« Sie schloss auf und stand mit ihm in dem winzigen Vorraum, während sie auf den Aufzug warteten. Als sie hinauffuhren, drückte sie ihm erneut fest die Hand.
»Haben alle Häuser solche …«
»Aufzüge. Nein, aber viele.« Vor ihrer Wohnung öffnete sie das Eisengitter, und dann traten sie ein.
Die Wohnung war nicht groß, aber das Licht war exzellent. An den Wänden hingen ihre Gemälde und Fotografien, und den Fußboden bedeckten selbstgewebte Teppiche in kühnen Farben und Mustern.
Es war aufgeräumt, was ihrer Natur entsprach. Ihre Bettcouch hatte sich für den Tag in ein gemütliches Sofa verwandelt, und die Küchennische, die sie gerade erst geputzt hatte, blitzte vor Sauberkeit.
»Du lebst allein. Und niemand hilft dir.«
»Eine Hilfe kann ich mir nicht leisten, und ich lebe gerne allein. Personal und Dienstboten verschlingen nur Geld, und davon habe ich nicht genug.«
»Gibt es keine Männer in deiner Familie, und bekommst du keinen Unterhalt?«
»Seit meinem zehnten Lebensjahr nicht mehr«, erwiderte sie trocken. »Ich arbeite. Frauen arbeiten genauso wie Männer. Im Idealfall sind wir nicht von einem Mann abhängig, der für uns finanziell oder in anderer Hinsicht sorgt.«
Sie stellte ihre Tasche ab. »Ich verdiene meinen Lebensunterhalt, indem ich Gemälde und Fotografien verkaufe. Hauptsächlich male ich Grußkarten oder Motive für Briefpapier und Notizblöcke.«
»Ah, du bist Künstlerin.«
»Genau«, sagte sie. Es erheiterte sie, dass zumindest ihre Berufswahl seine Zustimmung fand. »Mit den Grußkarten zahle ich die Miete, aber ab und zu verkaufe ich auch ein richtiges Bild. Ich bin selbstständig und lebe nach meinem eigenen Terminkalender, da hast du Glück gehabt. Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig, deshalb kann ich mir die Zeit nehmen, um das zu tun, was getan werden muss.«
»Meine Mutter ist auf ihre Art auch eine Künstlerin. Ihre Wandbehänge sind wundervoll.« Er trat zum Gemälde einer Meerjungfrau, die sich aus einem aufgewühlten Meer erhob. Ihr Gesicht spiegelte Macht wider, eine Art von Wissen, das Frauen wohl angeboren war. »Ist das dein Werk?«
»Ja.«
»Es zeigt, was du kannst, und deine Magie überträgt sich durch Farbe und Form.«
Mehr als Zustimmung, dachte sie und ließ sich von seiner Bewunderung wärmen. »Danke. Normalerweise hättest du mir jetzt damit den Tag gerettet, aber heute ist irgendwie ein seltsamer Tag. Ich muss mich umziehen.«
Er nickte geistesabwesend und trat bereits zu einem anderen Gemälde.
Glenna blickte ihm nach und trat dann schulterzuckend an ihren Kleiderschrank. Sie suchte die Kleidung heraus und ging damit ins Badezimmer.
Als sie aus ihrem Kleid schlüpfte, dachte sie, dass Männer ihr gewöhnlich mehr Aufmerksamkeit schenkten. Darauf achteten, wie sie
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