Grün wie ein Augustapfel
gekommen war.
»Was haben Sie?« fragte sie erstaunt, »sind Sie etwa böse?«
»Nein«, knurrte er, »in mir ist eitel Lust und Heiterkeit!«
»Warum fahren Sie dann so schnell? Wenn ein Polizist Sie erwischt, bekommen Sie ein Strafmandat.«
Er trat zum zweitenmal auf die Bremse und hielt an.
»Das ist wenigstens eine nettere Gegend«, meinte Manuela und sah sich um. Die Straße durchschnitt wieder einmal die Parkanlagen, und irgendwo in der Dunkelheit plätscherte ein Brunnen.
»Hören Sie einmal, Kindchen...«
»Jetzt sagen Sie schon zum drittenmal Kindchen zu mir«, unterbrach sie ihn liebenswürdig, »und dabei haben Sie doch vor knapp drei Minuten selber behauptet, Sie hätten eingesehen, daß ich kein Kind mehr bin. Und was meine dunklen Absichten betrifft, die Sie nervös zu machen scheinen... Ich habe mir vorgestellt, wir könnten zum Abschluß der Feier noch in irgendeine nette kleine Bar gehen und uns ein wenig unterhalten. Oder haben Sie etwas dagegen?«
Er antwortete ihr nicht. Er konnte nicht antworten, weil er tatsächlich nach Atem rang.
»Was haben Sie?« fragte sie sanft, »fürchten Sie etwa, Sie kämen Ihrem Neffen Jürgen ins Gehege, wenn Sie mich jetzt noch für eine kleine Stunde ausführten? Es ist schrecklich, daß eure Generation sich immer einbildet, wenn man mit einem jungen Mann tanzt, und sich hinter ihm auf den Roller klemmt, und womöglich noch gemeinsam zum Baden fährt, und sich gelegentlich einmal küßt, dann hätte man gleich was miteinander.«
»Was heißt >eure Generation« fuhr er sie an.
»Gott, ich dachte dabei auch an meine Mutter. Sie ist zwar ein paar Jahre jünger als Sie, aber über den Daumen gepeilt gehört sie zu Ihrem Jahrgang. Ihr müßt eine ziemlich schlimme Bande gewesen sein, denn solch ein Mißtrauen kommt doch nicht von ungefähr. Oder?«
»Jawohl, das waren wir«, sagte er heftig, »aber wir waren es offen und ehrlich und ohne Hinterlist und Tücke. Bei euch jungen Leuten weiß man nicht, wo man dran ist. Ich traue eurer Harmlosigkeit nicht, eurer Sachlichkeit, eurem schnoddrigen Umgangston. Und es spräche auch gegen jede Erfahrung, daß ihr anders sein solltet, als wir es waren!«
»Legen Sie sich aber ins Zeug«, kicherte sie, »Sie entwickeln ja direkt Temperament...«
»Zum Teufel«, knurrte er sie an, »ich bin schließlich kein Tapergreis. Weshalb soll mir nicht der Hut hochgehen, wenn Sie mich so herausfordern?!«
»Das ist ein weites Thema. Können wir uns darüber nicht woanders unterhalten?«
»Wo?« fragte er mit dem letzten Atem.
»Ich kenne eine kleine Bar mitten in der Stadt. Der Nepp ist nicht allzu schlimm, und der Akkordeonspieler ist erträglich.«
»Sie scheinen sich in Nachtlokalen auszukennen...«
»Ich war mit meiner Mutter dort. Ein Frankfurter Vertreter fühlte sich verpflichtet, Vicky groß auszuführen. Sie nahm mich vorsichtshalber mit, und ich fiel dem Herrn sichtlich auf den Wecker.« Sie kicherte in der Erinnerung.
»Ihre Frau Mutter scheint noch sehr jung zu sein...«
»Hm... ja... wie man's nimmt...«
»Und Sie nennen sie Vicky?«
»Sie heißt Viktoria, aber mein Vater nannte sie Vicky, und wir haben den Namen übernommen, damit sie sich ein wenig angesprochen fühlt.«
»Sie haben noch Geschwister?«
»Einen Bruder. Gregor. Er ist ein Jahr jünger als ich und steht kurz vor dem Abitur.«
»Wird er das Geschäft einmal übernehmen?«
»Das ist es ja, was Vicky Kummer macht, er möchte Medizin studieren. Ich finde es ja auch blöd, aber er ist nun einmal auf die Medizin versessen.«
Sie dirigierte ihn, während sie sich unterhielten, durch die Stadt. Vor der erleuchteten Schaufensterfront eines Modehauses ganz in der Nähe des Mellinschen Geschäftes fanden sie eine Parklücke. Manuela wartete neben der Parkuhr, während Guntram das Verdeck über den Wagen schlug, denn neben seiner Aktenmappe befanden sich auch im Handschuhfach einige Dinge, die einen Liebhaber reizen konnten. Die Bar war gut besucht, aber sie war nicht überfüllt. Der Ober führte sie zu einer Nische, wo sie sich auf knallroten Kunststoffsesselchen niederließen. Der Alleinunterhalter mit dem Akkordeon — es war noch der gleiche — witterte Beute und spielte sich zu ihnen heran. Der befrackte Oberkellner legte Guntram die Getränkekarte vor und schlug mit taschenspielerischer Geschicklichkeit die Seite mit den Sektmarken auf.
»Trocken oder halbsüß?« fragte Guntram.
Manuela wünschte den Sekt trocken, obwohl ihr nicht ganz
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