Grün wie ein Augustapfel
nach ihrer Hand und umschloß das schmale Gelenk mit einem festen Griff.
»Schluß jetzt, mein Kind! Es wird höchste Zeit, daß Sie die Maske ablegen und mir endlich erklären, was Sie mir eigentlich Vorspielen! Denn das kleine Biest, das zu sein Sie vorgeben, sind Sie doch gar nicht. Oder ich müßte mich sehr täuschen. Also los, Manuela, nun erzählen Sie schon!«
»Wie viele Frauen haben in Ihrem Leben eine Rolle gespielt?« fragte sie, »waren es zwanzig? Oder dreißig?«
»Was soll das?« fragte er leicht gereizt.
»Oder vielleicht sogar vierzig oder noch mehr?«
»Ich habe darüber nicht Buch geführt!«
»Mit einem Wort: Sie können die Damen nicht einmal mehr zählen«, stellte sie sehr ernsthaft fest. »Aber es geht mich ja auch nichts an.«
»Dieses Gefühl habe ich allerdings auch«, sagte er beifällig.
»Aber wie stehen Sie zu der Schauspielerin, mit der Sie jahrelang befreundet waren?«
Er hob überrascht den Kopf: »Welche Schauspielerin?«
»Nun tun Sie doch nicht so, als ob Sie nicht genau wüßten, wen ich meine! Ich habe Jürgen ein wenig über Sie ausgequetscht, und er erzählte mir, Sie hätten sogar die Absicht gehabt, diese Dame zu heiraten. Oder stimmt das nicht?«
»Doch, es stimmt...«
»Und weshalb haben Sie sie nicht geheiratet?«
»Weil sie ihren Beruf nicht aufgeben wollte.«
»Ich verstehe. Heute ein Engagement in Düsseldorf, morgen in München, übermorgen in Berlin... Ich an Ihrer Stelle hätte sie auch nicht geheiratet. Und sonst?«
»Ich verstehe Ihre Frage nicht, Manuela...«
»Sind Sie noch mit ihr befreundet?«
»Natürlich. Sie schreibt mir von Zeit zu Zeit eine Ansichtskarte aus Zürich. Dort spielt sie nämlich seit zwei Jahren.«
»Ich will es Ihnen glauben. Schließlich, was hätten Sie auch für einen Grund, mich anzuschwindeln?«
»Richtig! Was für einen Grund hätte ich, Sie anzuschwindeln? Aber nun sagen Sie mir doch endlich, Manuela, was für einen Grund hatten Sie eigentlich, mir gegenüber den Vamp aus der Stummfilmzeit zu spielen?«
»War ich so miserabel?«
»Durchaus nicht, Sie besitzen ein bemerkenswertes schauspielerisches Talent.«
»Das müssen Sie ja beurteilen können.«
»Dieses Talent besitzen wohl alle Frauen. Aber ich frage mich, wozu verschwenden Sie diesen Aufwand an mich?«
Sie zeichnete mit einem verschütteten Sekttropfen ein Kreuzstichmuster auf die Tischplatte: »Können Sie sich das nicht denken? Ich wollte einfach von Ihnen beachtet werden.«
»Und Sie meinen, ich hätte Sie sonst übersehen?«
»Helma Bode ist bedeutend hübscher als ich. Man gibt so etwas nicht gern zu. Aber ich bin für Ehrlichkeit. Und sie hat auch die bessere Figur.«
Er beugte sich vor und zog ihre Hand an die Lippen, unbekümmert darum, daß man sie beobachtete: »Sie sind das bezauberndste Geschöpf, dem ich je begegnet bin, Manuela. Aber ...«
»Bitte! Kein Aber!«
»Aber darf ich Sie fragen, wie Sie sich — wenn schon die ferne Zukunft Sie nicht zu interessieren scheint — die nahe Zukunft vorstellen?«
»Wundervoll«, sagte sie nach einem tiefen Atemzug, »einfach wundervoll! Ich werde Sie täglich sehen, oder doch wenigstens dann, wenn Sie Zeit- für mich haben. Und wir werden in die Umgebung fahren und im Forsthaus Rehleber oder Rebhühnchen essen, und wir werden ins Kino oder ins Theater gehen und hinterher ein Glas Wein trinken. Es muß ja nicht immer Sekt sein. Den sparen wir uns für besondere Gelegenheiten auf.«
Er strählte sich mit beiden Händen zugleich das dichte Haar zurück, als stände es ihm zu Berge, und er setzte zum Sprechen an, aber er brachte keinen Ton heraus. Schließlich winkte er den Ober heran, um zu zahlen. Er beglich seine Rechnung und schob dem Akkordeonspieler ein Geldstück in die Tasche. Sie erhoben sich. Manuela legte den Schal über den Arm und ließ sich zum Ausgang führen. Der Ober stürzte voran und riß die Tür auf. Am Wagen öffnete Guntram den Schlag und setzte sich, nachdem Manuela Platz genommen hatte, hinter das Steuer.
»Wie fahre ich jetzt?«
»Immer den Trambahnschienen nach und später rechts um die Ecke. Ich melde mich, wenn es soweit ist.«
Er hielt sich neben den Schienen und starrte dabei wie ein Fahrschüler in der zweiten Stunde auf die Straße. Die Stadt war wie ausgestorben, die Schaufenster waren erloschen, die Neonröhren blind. Nur ein Mann von der Wach- und Schließgesellschaft kontrollierte die herabgelassenen Scherengitter der Schaufenster und
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