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Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Mellin, aber ich muß Sie dringend sprechen«, sagte der Beamte ernst.
    Viktorias erster Gedanke war, im Geschäft sei eingebrochen worden.
    »Nein, Frau Mellin, es handelt sich um eine andere Sache. Ich warte vor der Tür, bis Sie mich empfangen können. Sie haben einen Sohn namens Gregor?«
    »Ja, gewiß...«
    »Ist er daheim?«
    »Na hören Sie«, sagte Viktoria fast empört, »wo soll er um diese Zeit sonst sein? Er ist in seinem Zimmer und schläft. Was soll Ihre merkwürdige Frage überhaupt?«
    »Das erkläre ich Ihnen später.«
    Viktoria spürte in ihrem Rücken einen Luftzug und drehte sich halb um. Gregor stand im Schlafanzug mit verstrubbeltem Haar auf der Schwelle seines Zimmers, blaß wie ein Handtuch und mit der Hand am Türdrücker, als hielte er sich daran fest.
    »Einen Augenblick, meine Herren, gedulden Sie sich fünf Minuten«, sie schloß die Wohnungstür und blieb zwei Schritte vor Gregor stehen: »Was ist los? Was hast du mit der Kriminalpolizei zu tun?«
    »Um Gottes willen, Mutti«, flüsterte er gehetzt und sah sich um, als suche er nach einem Fluchtweg durchs Fenster, »sag ihnen, daß ich gestern abend daheim war! Sag ihnen, daß ich den ganzen Abend daheim war. Sag ihnen, daß ich mir das Fernsehprogramm angesehen habe.«
    »Bist du verrückt?!« fragte sie scharf und spürte, wie sich ihre Knie mit Blei füllten, »was hast du angestellt?«
    »Wir wollten doch nur Walter helfen! Es geht um sein Abitur. Er hätte es nie bestanden. Und da sind wir gestern abend, Walter, Werner und ich, ins Direktorat eingestiegen. Der Abituraufgaben wegen...« Er preßte die Fäuste vor das Gesicht und begann zu schluchzen, trocken, mit stoßendem Atem, genauso, wie er als kleiner Bub geschluchzt hatte, wenn er mit zerschundenen Knien oder einer Beule am Kopf zu ihr geflüchtet war.
    Viktoria atmete tief durch. Die ängstliche Spannung wich aus ihrem Gesicht. Sie wußte selber nicht, woran sie eigentlich gedacht hatte, was Gregor verbrochen haben könnte. Man las soviel in den Zeitungen, was Jungen in seinem Alter heutzutage anstellten. Sie knackten Automaten auf und stahlen Autos...
    »Jetzt beruhige dich zuerst einmal, mein Junge«, sagte sie und kämmte ihm die Haare aus dem Gesicht, »und dann wasch dich und zieh dich an, damit wir den Herrn von der Kriminalpolizei empfangen können. Und versuch erst gar nicht, ihm etwas vorzuschwindeln, hörst du? Du mußt jetzt den Mut aufbringen, dafür geradezustehen, was du angerichtet hast. Willst du mir das versprechen?«
    Er nickte stumm und wischte sich die Tränen mit dem Ärmel aus dem verängstigten Gesicht. Wenige Minuten später ließ Viktoria Kriminalinspektor Molinari und den uniformierten Beamten eintreten, aber nur Herr Molinari folgte ihr ins Wohnzimmer, der Wachtmeister blieb vor der Wohnungstür stehen. Inspektor Molinari öffnete die Aktentasche und zog ein Paar brauner Halbschuhe heraus.
    »Kennen Sie diese Schuhe, Frau Mellin?«
    »Ja, sie gehören meinem Sohn Gregor.«
    Der Inspektor nickte, als hätte er keine andere Antwort erwartet: »Und Sie kennen auch die Freunde Ihres Sohnes, Walter Scholz und Werner Cornelius?«
    »Seit vielen Jahren. Ich kenne die Jungen, seit sie mit Gregor zusammen in die Volksschule kamen. Die drei hielten besonders eng zusammen.«
    »Ich muß Ihnen leider eine sehr schlimme Nachricht geben«, sagte Inspektor Molinari düster, »Walter Scholz hat sich vor zwei Stunden bei seiner Verhaftung zu erschießen versucht. Mit der Pistole seines Vaters.«
    »Um Gottes willen«, stieß Viktoria hervor und griff sich an den Hals.
    »Er ist schwer verletzt, aber die Ärzte hoffen, ihn durchzubringen.«
    »Wegen eines Dummenjungenstreiches«, sagte Viktoria fassungslos.
    »Als Mutter sehen Sie das als Bubenstreich an«, sagte der Kriminalinspektor und kniff die Lippen zusammen, »von unserer Seite aus betrachtet ist die Sache nicht ganz so harmlos. Wissen Sie überhaupt, was passiert ist?«
    »Ich hatte keine Zeit, mit Gregor zu sprechen. Ich weiß nur soviel, daß die Jungen ins Direktorat eingestiegen sind.«
    »Nun ja«, murmelte der Inspektor, »noch eins, Frau Mellin, bevor Ihr Sohn erscheint: Sagen Sie ihm, bitte, nichts von dem Selbstmordversuch des Walter Scholz. Es könnte ihm einen Schock versetzen, Sie verstehen?«
    »Ich verstehe«, nickte Viktoria abgeschnürt.
    In diesem Augenblick trat Gregor ins Zimmer. Er schloß die Tür hinter sich und blieb vor ihr stehen, die Sonnenbräune in seinem Gesicht täuschte nicht

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