Grün wie ein Augustapfel
den Boden.
»Und du stehst herum und sagst kein Wort! So rede doch endlich, Vicky! So sag doch um Himmels willen etwas!«
»Laß mich in Ruhe«, bat Viktoria erschöpft, »laß mich für zehn Minuten in Frieden, ich komme schon wieder zu mir.«
Sie drehte sich um und ging mit schleppenden Füßen zum Sofa. Manuela sah sich um, als wäre im Zimmer ein Brand ausgebrochen und als suche sie nach dem Feuerlöscher.
»Man muß doch etwas tun! Man muß doch irgend etwas unternehmen«, rief sie mit rudernden Armbewegungen. Aber sie bekam von Viktoria keine Antwort. Und plötzlich leuchtete ihr Gesicht auf: »Bert muß her! Daß ich nicht gleich an ihn gedacht habe. Bert kennt sich in solchen Sachen gewiß aus.« Sie stürzte zum Telefon und wählte die Nummer des Hotels.
Der Portier stellte die Verbindung her, und sie hörte Guntrams Stimme. Sie klang nicht gerade freundlich.
»Oh, Bert, es tut mir so leid, dich aufgeweckt zu haben. Ich habe im Augenblick gar nicht daran gedacht, daß es noch so früh ist.«
»Wo brennt es denn?« fragte er gutmütig knurrend.
»Du mußt sofort zu uns kommen! Etwas Schreckliches ist geschehen. Gregor ist soeben verhaftet worden.«
»Was erzählst du da?« fragte er, als traue er seinen Ohren nicht, »das ist doch wohl nicht möglich?«
»Doch, er wurde vor fünf Minuten abgeholt. Ein Kriminalinspektor und ein Polizist haben ihn abgeholt.«
»Nun versuch einmal, der Reihe nach zu erzählen, was passiert ist, ganz ruhig.«
Sie versuchte es, aber es wurde ein ziemlich verworrener Bericht. Immerhin konnte Guntram sich daraus den Gang der Ereignisse rekonstruieren.
»Wie geht es deiner Mutter?« fragte er.
»Wir sind beide völlig fertig«, seufzte sie.
»Ich bin in einer halben Stunde bei euch«, sagte er, »bis dahin...« Manuela lauschte in den Apparat, aber sie konnte kein Geräusch vernehmen, das sich anhörte, als habe er ihr zum Abschied einen Kuß über den Draht geschickt. Sie hängte ein und lief zu Viktoria hinüber.
»Bert ist in einer halben Stunde hier!«
Viktoria sah sie an, als hätte sie kein Wort verstanden, aber sie erhob sich und ging in ihr Zimmer hinüber, denn sie hatte für Inspektor Molinari nur flüchtig Toilette gemacht. Manuela übernahm es, Kaffee zu kochen. Sie füllte die elektrische Mühle bis zum Rand. Wenn Vicky und sie selber jetzt etwas nötig hatten, dann war es ein starker Kaffee. Das bitterschwarze Gebräu, das Manuela Viktoria vorsetzte, belebte Viktorias Lebensgeister tatsächlich.
»Findest du nicht, daß du Herrn Guntram mit Dingen behelligst, für die eure Bekanntschaft noch ein wenig zu jung ist?« fragte sie, denn Manuelas spontaner Einfall, Guntram herbeizurufen, war ihr plötzlich peinlich.
»Ich verstehe dich nicht, Vicky? Bert ist ein Mann, und er kennt sich im Leben besser aus als du und ich.«
»Aber das sind doch sehr familiäre Angelegenheiten.«
»Ach was«, rief Manuela munter, »eines Tages gehört er ja doch zur Familie, und ob das nun ein wenig früher oder später geschieht...«
Viktoria stopfte sich die Finger in die Ohren. Manuelas burschikoser Ton ging ihr seit einigen Jahren auf die Nerven, aber jetzt konnte sie ihn einfach nicht mehr hören.
»Und er tut es bestimmt gern«, fügte Manuela hinzu. »Bert ist überhaupt ein wundervoller Mensch, ungeheuer gescheit, und vor allem — ein Mann mit Erfahrung.«
Viktoria ging an die Anrichte und nahm einen Schluck aus der Cognacflasche. Mit dem Kaffee allein brachte sie den >Mann mit Erfahrung< nicht hinunter.
Guntram erschien nach einer Stunde. Manuela war gerade dabei, sein Hotel zum drittenmal anzuläuten, als er unten vorfuhr.
»Oh, Bert, wo bist du nur so lange geblieben?« rief sie und stürzte ihm entgegen. Er löste sich sanft aus der Umschlingung ihrer Arme und begrüßte Viktoria. Zur Entschuldigung seiner Verspätung erklärte er ihr, er habe einen Umweg über das Polizeipräsidium gemacht, um sich nach den genauen Gründen für Gregors Verhaftung zu erkundigen, und außerdem hatte er den Anwalt des Ikaros-Verlages, Dr. Strachwitz, angerufen, mit dem ihn ein persönlicher Kontakt verband.
»Es war Manuelas Einfall, Sie anzurufen, Herr Guntram«, sagte Viktoria entschuldigend, »und ich war zu erledigt, um sie daran zu hindern...«
»Ich bitte Sie«, rief er herzlich, »darüber ist doch kein Wort zu verlieren. Ich wäre sehr froh, wenn ich Ihnen in dieser bösen Geschichte helfen könnte.«
»Ich will Gregor nicht in Schutz nehmen, aber ist denn das,
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