Grün wie ein Augustapfel
»Und ich traue dem Kerl trotzdem nicht über den Weg. Du kannst mir erzählen, was du willst, aber da stimmt etwas nicht.«
Er nahm sie beim Arm und führte sie aus dem Foyer auf die Straße. Es war ein mißglückter Abend, vom Anfang bis zum Ende. Dabei spielte der peinliche Vorfall am Beginn nur noch eine unbedeutende Rolle. Viel schwerer wog die Begegnung mit diesem Mann im Spielsaal, den er für einen gefährlichen Gauner hielt, auch wenn er es vor Manuela nicht zugab. Es war ein höchst beunruhigender Gedanke, die Existenz Manuelas und vor allem Viktorias durch einen Spieler gefährdet zu wissen.
»Und dieser Mensch hat es gewagt, Vicky einen Heiratsantrag zu machen«, sagte Manuela plötzlich, als ob sie seine Gedanken erraten hätte.
»Was willst du nun unternehmen?«
»Ich werde Vicky selbstverständlich erzählen, was wir hier erlebt haben.«
»Wann?« fragte er, »heute noch?«
»Wie ich Vicky kenne, wartet sie auf mich. Wir haben es ihr abzugewöhnen versucht, aber ohne Erfolg. Sie behauptet, sie könne nicht einschlafen, wenn sie die Wohnungstür nicht selber zugesperrt hat. Lächerlich, nicht wahr?«
»Tröste dich, meine Mutter war genauso, und sie wäre noch heute so, wenn sie noch leben würde...«
13
Es war kurz nach zwölf, als Viktoria Guntrams Wagen vor dem Haus halten hörte. Gregor war vor einer halben Stunde heimgekommen und sogleich in seinem Zimmer verschwunden, nachdem er ihr durch die Tür einen flüchtigen Gruß zugeworfen hatte. Er war nicht einmal an den Eisschrank gegangen, obwohl er sie gebeten hatte, ihm eine Portion von dem selbstgemachten Heringssalat aufzuheben, den er leidenschaftlich gern aß und von dem er schon zum Abendessen eine riesige Menge vertilgt hatte.
Viktoria hatte sich den Abend gemütlich gemacht, einmal ohne Fernsehen und ohne Radio, mit einer Schachtel Cognacbohnen und einem Roman von Lawrence Durrgl, dem dritten Band der Alexandria-Tetralogie, auf den sie schon lange gewartet hatte. Sie hielt den Roman noch in der Hand, als Manuela die Tür aufschloß, und wußte, daß es mit ihrem gemütlichen Abend vorbei sei, als sie Guntrams Stimme hörte. Es gelang ihr im letzten Augenblick, den Reißverschluß an ihrem
Kleid zu schließen. Was für freudige Überraschungen man doch bei Tag und bei Nacht erlebte, wenn man eine erwachsene Tochter sein eigen nannte.
»Kommen Sie nur herein, Herr Guntram, den Cognac wird Ihnen Manuela einschenken, und ich mache uns noch eine Tasse Kaffee.«
»Laß den Kaffee, Vicky, und trink einen Schnaps, bevor ich meine Neuigkeiten auspacke«, sagte Manuela und gab Viktoria einen flüchtigen Kuß auf die Stirn.
Viktoria sah Guntram an, aber er sah nicht so aus, als ob er ihr Dinge mitzuteilen hätte, die von persönlicher Bedeutung waren. Manuela holte die Flasche aus der Anrichte und stellte drei Schwenker auf den Tisch.
»Erzähl du es ihr, Bert«, forderte sie Guntram auf, während sie den Cognac einschenkte.
Er fügte sich in das Unvermeidliche und erzählte Viktoria, daß Manuela nach dem Essen den Wunsch gehabt habe, einmal den Betrieb einer Spielbank kennenzulernen. Er habe sie hingeführt, und an einem der Roulettetische im Spielsaal habe Manuela Herrn Freytag entdeckt. Um von Freytag nicht bemerkt zu werden, habe Manuela den Spielsaal verlassen und ihn gebeten, Freytag zu beobachten. Dabei habe er die Entdeckung gemacht, daß Freytag ohne Zweifel ein passionierter Hasardeur sei, der während seiner halbstündigen Anwesenheit am Roulett die runde Summe von zweitausend Mark verspielt habe.
»Zweitausend Mark in einer halben Stunde, Vicky«, rief Manuela, als hätte sie den Verlust selber erlitten, »aber ich frage dich, wovon? Ich meine, woher nimmt dieser Mensch das Geld, um solche Summen zu verspielen?«
Sie schien darüber bestürzt zu sein, daß die Nachricht dieses Verlustes auf Viktoria viel weniger Eindruck machte, als sie erwartet hatte.
»Daß Freytag spielt, ist mir allerdings neu«, sagte Viktoria nachdenklich, »ich wundere mich nur darüber, daß ich nie etwas davon gehört habe. So groß ist die Stadt doch nicht.«
»Sie ist schließlich kein Dorf«, sagte Manuela heftig, »aber ich habe dich gefragt, woher er das Geld nimmt.«
»Du vergißt, daß Herr Freytag am Umsatz des Geschäftes beteiligt ist. Ich habe ihm vor zwei Monaten einen ziemlich hohen Betrag ausgezahlt, mehr als viertausend Mark.«
»Und ich behaupte, daß Freytag dich betrügt«, rief Manuela unbeherrscht. Guntram warf einen Blick
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