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Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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was die Jungen getan haben, wirklich so schlimm, daß man sie aus dem Bett heraus verhaften mußte? Wie Verbrecher?«
    »Ich meine, wir setzen uns erst einmal«, sagte Manuela und zog Guntram ins Wohnzimmer, wo sie ihn .in einen Sessel drückte. »Hast du überhaupt schon gefrühstückt?«
    Er hatte das Frühstück bereits im Hotel eingenommen, und er lehnte auch den Cognac dankend ab, den sie ihm anbot, aber er griff zu einer Zigarette. Viktoria sah ihn an, als erwarte sie noch immer eine Antwort auf ihre Frage.
    »Natürlich ist es kein Verbrechen«, sagte er zögernd, »diese Kameradschaft durch dick und dünn... falsch verstandene Kameradschaft vielleicht... immerhin... aber dieser Streich geht doch in seiner Anlage ein ganzes Stück über das hinaus, was man noch als Jugendeselei ansehen kann. Ich wiederhole damit die Ansicht von Dr. Strachwitz, aber es ist, offen gestanden, auch meine eigene Meinung. Ich will Ihnen das Herz nicht schwermachen, denn so ernst ist die Geschichte nicht, aber sie ist auch nicht so leicht, um sie zu bagatellisieren.«
    Er blickte auf, sah die Angst in Viktorias Augen und nahm spontan ihre Hand, als müsse er sie zwischen seinen Fingern wärmen: »Es kommt ein bißchen viel auf einmal auf Sie zu«, murmelte er, »ich hätte Ihnen die Geschichte gestern abend wahrhaftig erspart, wenn ich geahnt hätte, was Sie heute erwartete.«
    Viktoria versuchte zu lächeln, aber es gelang ihr nicht, Tapferkeit vorzutäuschen, ihr liefen zwei Tränen über die Wangen, und sie entzog ihm ihre Hand, um die Tränen wegzuwischen: »Machen Sie sich doch keine Vorwürfe, Herr Guntram, das eine durften Sie mir nicht verschweigen, und das andere konnten Sie nicht verhindern.«
    Manuela saß mit glitzernden Augen dabei.
    »Macht bloß kein Drama aus der Geschichte«, sagte sie spitz, »einen Mord hat Gregor ja schließlich nicht begangen!«
    Guntram sah, daß Viktorias Augenlider zu flattern begannen. Er warf Manuela einen warnenden Blick zu, ihr lockeres Mundwerk ein wenig zu zügeln.
    »Um es kurz zu machen«, sagte er zu Viktoria, »Dr. Strachwitz, dem ich den Fall vor einer halben Stunde in Stichworten erzählte, läßt Ihnen den Rat geben, einen erstklassigen Anwalt zu nehmen. Nach Möglichkeit keinen von den forschen jungen Leuten, die das Gericht bei der Verhandlung mit ihren juristischen Kenntnissen zu überfahren versuchen, sondern einen seriösen Mann, der durch seine Persönlichkeit wirkt.«
    »Da kommt unser Dr. Müller wohl nicht in Frage«, warf Manuela ein.
    »Dr. Müller treibt gelegentlich Forderungen für das Geschäft ein«, erklärte Viktoria.
    »Und er stottert«, fügte Manuela hinzu, »aber das merkt man seinen Briefen ja nicht an.«
    Guntram unterdrückte ein Lachen, der stotternde Anwalt für stotternde Kunden reizte sein Zwerchfell. Und plötzlich lachte, auch Viktoria.
    »Na endlich«, seufzte Manuela auf, »hier war ja bis jetzt eine Stimmung wie in der Leichenhalle.«
    »Glauben Sie, daß Sie Ihren Dr. Müller heute erreichen können?« fragte Guntram.
    »Ganz bestimmt«, antwortete Manuela, »der Sonntag ist für seine Briefmarkensammlung reserviert.«
    »Dann läuten Sie ihn heute noch an und sagen Sie ihm, daß er sich um Gregor kümmern soll. Wie mir Strachwitz erklärte, gilt die polizeiliche Verhaftung der Feststellung des Tatbestandes. Die Polizei muß Gregor spätestens nach vierundzwanzig Stunden dem Untersuchungsrichter vorführen, der die Entscheidung über den weiteren Gang der Untersuchung trifft. Strachwitz hält es nach der Lage der Dinge für sicher, daß der Untersuchungsrichter Gregor und seine Freunde aus der Haft entlassen wird. Alles Weitere ergibt sich dann bei der Verhandlung vor Gericht.«
    »Du meinst, daß es zu einer Gerichtsverhandlung kommen wird?« fragte Manuela mit großen Augen, »zu einer richtigen Gerichtsverhandlung, mit Richtern und Zeugen und mit einem Staatsanwalt?«
    Viktoria schloß die Augen. Auf ihrer rechten Wange, unterhalb des Jochbeins, begann ein Nerv zu zucken, lästig wie ein Insekt, das sich nicht verjagen ließ. Und hinter den Lidern rollte ein Film ab, mit einem kahlen Gerichtssaal als Bühne, auf der mit flatternden Roben Staatsanwalt und Verteidiger agierten, zu beiden Seiten des hohen Tribunals, von dem der Richter mit schwarzem Barett auf die Angeklagten herabblickte, und unter ihnen Gregor... Plötzlich begann sich das Zimmer um sie zu drehen, die Wände entfernten sich, der Boden unter ihr sank in die Tiefe, die Luft

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