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Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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darüber hinweg, daß er blaß war, als hätte er nicht einen Tropfen Blut unter der Haut.
    Der Inspektor winkte ihn zu sich heran: »Sie sind Gregor Mellin, Schüler der Oberprima am Schiller-Gymnasium, achtzehn Jahre alt?«
    Gregor nickte stumm.
    »Geben Sie zu, mit Ihren Freunden Walter Scholz und Werner Cornelius gestern abend gegen zehn Uhr ins Direktoratszimmer des Schiller-Gymnasiums eingebrochen zu sein?«
    »Jawohl.«
    Der Inspektor wandte sich an Viktoria: »Ja, Frau Mellin, das freimütige Geständnis Ihres Sohnes erleichtert uns die Arbeit. Ich werde es später erwähnen. Aber Dummerjungenstreich? Immerhin handelt es sich bei der Tat der jungen Leute um einen Einbruch mit der Absicht, sich durch einen Betrug Vorteile zu verschaffen — und beim Überfall auf den Hausmeister der Schule, der die drei Jungen überraschte, um ein Delikt der schweren Körperverletzung. Und was der Staatsanwalt sonst noch dazu zu sagen haben wird, wird sich später herausstellen.«
    Für einen Augenblick begann der Raum sich um Viktoria zu drehen. Sie brauchte ihre ganze Kraft, um der Schwäche nicht nachzugeben. Die Eröffnungen des gestrigen Abends, die Wirkung der Schlaftabletten, und diese schreckliche Nachricht, es kam zuviel auf einmal zusammen.
    »Mein Gott«, stammelte sie, »das habe ich nicht gewußt...«
    »Das ist ja auch nicht wahr«, schrie Gregor entrüstet, »das hat Walter doch nie beabsichtigt! Er wollte doch nur die Taschenlampe in Kniesels Hand treffen, damit er uns nicht erkenne. Und ich habe damit überhaupt nichts zu tun, und Werner genausowenig! Ich schwöre es dir, Mutti!«
    »Das wird sich alles bei der Untersuchung herausstellen«, sagte Inspektor Molinari ruhig und wandte sich an Viktoria: »Es ist mir nicht angenehm, Frau Mellin, aber ich habe leider die Pflicht, Ihren Sohn Gregor bis zur Entscheidung des Untersuchungsrichters in Haft zu nehmen.«
    Viktoria preßte beide Hände gegen ihr Herz, es klopfte in rasenden Schlägen. Der Kopf schmerzte plötzlich, als würde er im nächsten Augenblick zerspringen. Sie sah Gregor wie durch einen Nebel.
    »Ich habe es wirklich nicht getan, Mutti«, hörte sie ihn rufen, »glaube es mir doch! Und ich hätte Walter an dem blödsinnigen Wurf gehindert, wenn ich es gesehen hätte. Aber es geschah zu schnell. Ich hörte nur noch, wie der Scheinwerfer der Taschenlampe zersplitterte, plötzlich war es stockdunkel, und wir rannten davon.«
    »Ich glaube dir, mein Junge«, sagte Viktoria und streichelte seine Schulter. Es fiel ihr erst jetzt auf, daß er sie plötzlich wieder, wie vor langen Jahren, als Georg Mellin noch lebte, Mutter nannte.
    »Lassen Sie Ihrer Frau Mutter jetzt Zeit, junger Mann, Ihnen ein paar Sachen zusammenzupacken, Schlafanzug, Zahnbürste und Rasierzeug — falls Sie es schon brauchen. Und reißen Sie sich zusammen. Wenn Sie ein richtiger Kerl sind, dann löffeln Sie die Suppe mit Anstand aus, die Sie sich eingebrockt haben. Und den Kragen wird es ja nicht kosten.«
    Er ließ Gregor vorangehen und wartete im Korridor, bis Viktoria wieder erschien. Sie hatte den Schlafanzug und Gregors Toilettenzeug in seine Schulmappe gepackt. Der Wachtmeister nahm ihr die Tasche ab und winkte Gregor, ihm zu folgen. Inspektor Molinari verabschiedete sich von Viktoria mit einer knappen Verbeugung. In der Tür drehte er sich noch einmal um: »Ich kann mir vorstellen, wie Ihnen zumute ist, Frau Mellin«, murmelte er und hustete sich einen Belag von der Kehle, »ich habe selber zwei Jungen im Alter Ihres Sohnes. Sie sind auch keine Engel. Aber was will man machen? Man muß für sie da sein, wenn's darauf ankommt.« Er stülpte den schwarzen Trachtenhut über den gelichteten Schädel und schloß die Tür hinter sich.
    Viktoria starrte ihm nach. Sie blieb stehen, wo sie stand, sie war nicht fähig, auch nur einen Schritt zu gehen. Die Füße versagten ihr den Dienst. Es war wie eine Lähmung. Alles kam ihr traumhaft vor, die Szene, die sie soeben erlebt hatte, der gestrige Abend, der kleine Vorraum. Alles war wie in Watte gepackt, sogar die Atemluft kam schwer wie durch einen Filter in ihre Lungen, und Manuelas Stimme drang wie aus weiter Ferne zu ihr.
    »Mein Gott, Vicky! Ich habe hinter der Tür gestanden und alles mit angehört. Das ist ja entsetzlich. Wie konnte Gregor uns das nur antun?« Sie flatterte wie ein flügellahmer Vogel in der kleinen Diele vor Viktoria im Schlafanzug, über den sie den Bademantel geworfen hatte, der lange rote Gürtel schleifte über

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