Gründergeschichten
Jahre alt. Zu Anfang des Geschäftsjahres sah es noch gut aus. Wir hatten
weltweit 333 Mitarbeiter, waren rund um den Globus mit unseren Lasersystemen vertreten, die wir an Ärzte und Kliniken verkauften,
vor allem in den USA, China, Korea, Indien und Japan. Zwei Drittel unseres Geschäftes machten wir außerhalb Europas. Jahr
für Jahr steigerten wir den Umsatz. Wir hatten uns fast schon daran gewöhnt, dass es seit Jahren bergauf ging.
Dann kam plötzlich der Einbruch. Wir machten 20 Millionen |62| Euro Verlust. Wir mussten 40 Leute – mehr als zehn Prozent unserer Belegschaft – entlassen und das Unternehmen neu strukturieren.
2006 wurde das schlimmste und bitterste Jahr unserer Geschichte. Und das lehrreichste.
Aber der Reihe nach. Ich hatte eigentlich nie vor, eine Firma zu gründen, erst recht keine Aktiengesellschaft. So etwas hätte
ich mir nicht einmal in meinen kühnsten Träumen ausgemalt. Mein Vater besaß einen kleinen Laden in München, verkaufte Gemüse,
Kaffee und Getränke. So einen Tante-Emma-Laden an der Ecke eben. Ich war als Kind ständig dort, habe dort nach der Schule
verkauft, die Auslagen gerichtet, so wie meine vier jüngeren Geschwister auch. Das habe ich so lange gemacht, bis ich zur
Bundeswehr ging. Aber mir war klar, dass ich nie so eine Abhängigkeit wollte wie meine Eltern. An Heiligabend beispielsweise
kamen wir erst um 18 Uhr nach Haus. Da musste man sich erst einmal herunter kühlen, um in Feststimmung zu kommen. Denn die
Tage davor waren extrem wichtige Geschäftstage. Aber diese Verpflichtung, immer da zu sein, immer zu funktionieren, während
andere ihre Ruhe haben, wollte ich nicht.
Für meinen Vater dagegen, der Anfang 2007 gestorben ist, war der Laden sein Leben. Für meine Mutter weniger, sie war vorwiegend
mit den fünf Kindern beschäftigt. Undenkbar, dass mein Vater einmal nicht frühmorgens auf den Münchner Großmarkt fuhr, um
Obst und Gemüse zu kaufen. Das war wie eine Sucht für ihn, diese Multikultiwelt der Händler, zu sichten, zu wählen, zu feilschen.
Auf dem Großmarkt war er ein knallharter Verhandler, privat ein gutmütiger Mensch. Sein Motto war leben und leben lassen.
Es ging ihm nie darum, Geld zu raffen. Ihm war wichtig, dass die anderen auch gut leben können.
|63| Natürlich hatten wir diskutiert, ob ich ins Geschäft einsteigen könnte. Aber wir sahen beide schnell ein, dass das Mord und
Totschlag geben würde, weil wir so unterschiedliche Vorstellungen hatten, wie man den Laden führen sollte. Ich bin damals
immer Vollgas gefahren, mein Vater war piano, Schritt für Schritt; für mich war das alles viel zu langsam. Deshalb sind wir
immer mal wieder aneinandergeraten.
Ich wollte zwar kein Unternehmer sein, aber möglichst eigenständig arbeiten, also keinen haben, der mir reinredet. Es hat
eine Zeitlang gedauert, bis ich kapiert hatte, dass dies umso leichter geht, je besser man ausgebildet ist. In der Schule
war ich zunächst eher mittelmäßig. Ich wusste nicht so recht, wozu Schule gut sein sollte, habe auch mal eine Ehrenrunde gedreht.
Erst als ich älter wurde, wurde das anders. Ich besuchte die Wirtschaftsaufbauschule, also die Realschule mit Wirtschaftszweig,
ich wollte Kaufmann werden. Mit knapp 18 war ich fertig. Die letzten zwei, drei Monate vor dem Abschluss entschied ich mich
anders. Ich verpflichtete mich für vier Jahre bei der Bundeswehr und habe während dieser Zeit Elektroniker gelernt. Danach
bin ich noch einmal zur Schule gegangen, eine Fachoberschule für Technik mit einer kaufmännischen Grundausbildung, und holte
die Fachhochschulreife nach. Das war hart, weil ich weder von Mathematik noch von Chemie eine Ahnung hatte. Dann studierte
ich in München Feinwerktechnik. Ich wollte kein Spezialist werden, sondern breit gefächertes Wissen ansammeln und erst dann
entscheiden, wohin es gehen sollte.
Meine Eltern konnten mir kein Geld fürs Studium geben, dazu war einfach zu wenig da. Aber sie hielten mir die Türen immer
offen, ich konnte daheim essen und schlafen, wann |64| immer ich wollte. Das Studium habe ich mir mit allerhand Jobs finanziert, ich arbeitete mal als Dachdecker, mal als Bierfahrer
oder als Elektroniker.
Das Geld war knapp, aber ein gebrauchtes Auto oder ein Motorrad habe ich mir immer geleistet. Die Reparaturen machte ich selbst.
Während des Studiums hatte ich viel Zeit für meinen Sport, Leichtathletik und Skibobfahren. Beim Skibob wurde ich in der
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