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Gründergeschichten

Titel: Gründergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
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sich sehr schnell über den Reindl informiert. Er brachte
     noch einen zweiten Investor mit, der wiederum den Kontakt knüpfte zu Bayernkapital und zur Kreditanstalt für Wiederaufbau.
    Ich wollte damals zehn Millionen D-Mark für die Entwicklung meines Dentallasers. Dieser Finanzwunsch wurde herunterdiskutiert
     auf 5,5 Millionen D-Mark, von insgesamt fünf Geldgebern. 20 Prozent kamen vom Staat.
    Nach ein paar Meetings war die Sache besprochen. Am 30. April 1996 unterschrieb ich die Verträge. Am 1. Mai begannen wir mit
     der Arbeit, ich und eine Handvoll tüchtiger Mitarbeiter, die ich aus der alten Firma mitbrachte – Ingenieure, Mechaniker,
     Konstrukteure, ein Physiker, eine technische Zeichnerin und eine Leiterin für den Kundendienst.
    Ich erinnere mich, ich saß im Zug und rechnete hin und her. »Das wird viel zu teuer, das muss man günstiger machen«, sagte
     ich mir. Binnen vier Monaten entstand der Plan, außer dem Dentallaser einen Augenheilkundelaser und einen Dermatologielaser
     zu entwickeln, mit dem Ärzte beispielsweise Pigmente und Tätowierungen entfernen könnten. Zunächst haben wir für alle drei
     Funktionen Prototypen gebaut |70| und sie auf der Messe vorgestellt. Dornier war interessiert am Dermatologielaser, wir selbst wollten an dem Augenheilkundelaser
     für Hornhautbehandlung weiterarbeiten.
    Einen Teil der Funktionen mussten wir in Tierversuchen erproben, aber nicht mit lebenden Tieren, sondern mit Schweineaugen
     aus dem Schlachthof. Die Organe des Schweins sind den unsrigen sehr ähnlich, Augen, Herz, innere Organe. Das läuft so: Da
     fährt einer aus der Entwicklung mit einem Eimer und einer Kiste Bier oder einer Flasche Schnaps in den Schlachthof und sagt,
     ich tausche Schnaps gegen Schweineaugen. Früh um fünf, sonst sind die Augen schon im Müll. Das ist eine der wenigen Aufgaben,
     die ich nicht selbst mache … Es muss ja auch einen Vorteil haben, Chef zu sein!
    Wir bekamen im Gründerzentrum IGZ in Erlangen zunächst einen Raum, dann zwei, dann drei. Nach drei Jahren waren wir 28 Leute,
     über vier Stockwerke verteilt, im Keller saß unser Kundendienst. Dann sagten wir, wir müssen raus und gingen in ein größeres
     Gebäude, wo wir das Erdgeschoss belegten.
    Schon im ersten Jahr erlebten wir ein Desaster mit der neuen Technologie für die Augenlaserchirurgie. Wir hatten den Ehrgeiz,
     statt dem bisher üblichen UV-Licht Infrarotlicht einzusetzen. Das hatte den Vorteil, dass das Gerät nicht nur kleiner, sondern
     auch etwa ein Viertel billiger werden würde als die herkömmlichen Geräte. Bei einem Gerät, das 400 000 D-Mark kostet, wären
     das 100 000 D-Mark weniger gewesen. Das klang revolutionär. Alles lief wie am Schnürchen. Wir machten drei Prototypen fertig
     und stellten einen davon auf der Weltmesse in Chicago vor. Das Interesse des Fachpublikums war riesig, die Ärzte belagerten
     uns förmlich. Dann flogen wir nach Haus und warteten die Ergebnisse der ersten |71| Behandlung an Patienten ab. Ein Professor an der Uniklinik in Dresden hatte einen Patienten, der auf einem Auge blind war
     und sich für diese Studie zur Verfügung stellte. Danach wollten wir mit der Serienproduktion beginnen.
    Doch dann stellte sich heraus: Der Heilungsprozess mit dem neuen Infrarotsystem verlief schlechter als mit dem alten UV-System.
     Das war niederschmetternd. Das Auge des Patienten wurde zum Glück nicht geschädigt, er war ja schon blind.
    Zwölf Monate Entwicklungszeit, drei Millionen D-Mark ausgegeben – und alles für die Katz. Niemand hatte so eine Katastrophe
     erwartet, auch nicht die Wissenschaftler an der Augenklinik der Uni Dresden, die mit uns kooperierten. Denn alle unsere Vortests
     waren positiv verlaufen, die theoretischen Berechnungen, die Tests an den Schweineaugen. Auch der Professor hatte sich mit
     seinen Prognosen weit aus dem Fenster gelehnt. Jetzt war klar: Wir können unser High-Tech-Gerät einstampfen. Dabei hatten
     wir schon Vorbestellungen.
    Ich wusste nicht, was ich machen sollte. In den Keller gehen und heulen? Heimfahren und eine Flasche Wein entkorken? Mir einen
     neuen Job suchen? Wir standen vor der Pleite. Viel Zeit für Selbstmitleid blieb nicht. Stattdessen mussten wir uns schnell
     wieder aufrappeln und die Kollegen und die Geldgeber motivieren. Wie man wieder aufsteht, das habe ich im Sport gelernt: Du
     fliegst viermal mit dem Bob aus der Kurve und quälst dich trotzdem wieder den Berg rauf. Beim fünften Mal weißt du, wie es
    

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