Gründergeschichten
steht, nach Drückerkolonnen klingt, denen die Provision alles und das Produkt nichts bedeutet. Das wäre für ein Unternehmen
wie LichtBlick, das in besonderem Maße von seiner Glaubwürdigkeit lebt, ein Desaster. »Deshalb haben wir uns für die Konzipierung
und den Aufbau des Direktvertriebs auch ein ganzes Jahr Zeit gelassen, einen kompetenten Beirat berufen und uns intensiv von
Fachleuten beraten lassen.« Nun hat LichtBlick »deutlich über 100 Leute«, die als »Energieberater« zu den Ökostrominteressenten
nach Hause |59| gehen – nachdem vorher, meist auf Empfehlung eines anderen Kunden, ein Termin verabredet wurde. »Kalt an der Tür zu klingeln,
das würde nicht zu uns passen. Und unsere Leute haben Anweisung, äußerst zurückhaltend aufzutreten – jeder mögliche Kunde,
der besucht wurde, wird hinterher von unserer Zentrale angerufen und nach seinen Eindrücken gefragt. Wenn einer unserer Leute
da zu ›pushy‹ auftritt, bekommt er Ärger mit uns. Die Berater erklären den Markt, das Unternehmen LichtBlick, unsere Unabhängigkeit
und das Produkt, und dann wird eine Vergleichsrechnung aufgestellt. Was zahlt der Kunde heute, was würde er bei uns zahlen
– mal liegen wir zwei Euro drüber, mal zwei drunter. So ein Gespräch dauert ungefähr eine halbe Stunde. Und das Bemerkenswerte
ist: Mehr als 60 Prozent entscheiden sich schon während dieses Besuches für den Wechsel, weil sie gut finden, was wir machen.
Und natürlich auch, weil ein normaler Haushalt in seiner individuellen Umweltbilanz zwei Tonnen Kohlendioxid pro Jahr einspart,
wenn er Ökostrom nutzt.« Heiko von Tschischwitz räumt ein, er habe anfangs Aversionen gegen den Direktvertrieb gehabt und
Angst, LichtBlick könnte sich damit den guten Ruf ruinieren. Heute sei er der größte Anhänger dieser Verkaufsmethode – »einfach
weil wir die Chance haben, unser Produkt und seine Vorteile in Ruhe zu erklären. Für uns ist diese Vertriebsform wie geschaffen.«
Fast jeder zweite neue Kunde kommt heute über den Direktvertrieb zu LichtBlick – der mit Abstand wichtigste Vertriebsweg der
Ökostromer. »Wir suchen übrigens in unseren Stellenanzeigen dafür heute ausdrücklich keine vertriebsorientierten, sondern
umweltorientierte Mitarbeiter«, sagt von Tschischwitz.
|60| LichtBlick kümmert sich nicht nur um die Privathaushalte. Rund die Hälfte seines Umsatzes macht das Unternehmen mit den »Sondervertragskunden«
– ein etwas sperriges Wort für Firmenkunden wie Sony, Canon, Tchibo, die Dresdner Bank. McDonald’s-Filialen befeuern ihre
Bulettenbräter ebenso mit dem grünen Strom wie die Stadt Berlin ihre Ampeln oder die Redaktion der
taz
ihre Computer. Rathäuser, Kindergärten, Schulen und das Bundesumweltamt sind LichtBlick-Kunden. »Viele Firmen entscheiden
sich gar nicht unbedingt für uns, weil wir Ökostrom anbieten, sondern schlicht, weil wir das beste, sprich das billigste Angebot
gemacht haben.« Die meisten nutzen aber auch den guten Ruf des grünen Stroms fürs eigene Image. Gerade erst hat LichtBlick
einen Zulieferer der Automobilindustrie für sich gewonnen. »Die haben uns gesagt, dass ihre Kunden Wert darauf legen, dass
sie ökologisch korrekt arbeiten.«
Und LichtBlick soll weiter wachsen. Darum erzählen die Geschäftsführer jedermann gern, dass ihr nächstes Ziel die Marke von
zwei Millionen Privatkunden ist – das wäre ein Wachstum von rund 700 Prozent. »Warum denn nicht? Die Ziele müssen groß bleiben,
nur so bleiben das Unternehmen und seine Mitarbeiter hungrig«, sagt Heiko von Tschischwitz.
Arne Daniels
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|61| »Dann fangen wir eben noch mal von vorne an«
WaveLight AG
Schneller Aufstieg, schwere Delle: Vor lauter Erfolgen übersah Wave-Light-Chef
Max Reindl die Probleme, die ein rasantes Unternehmenswachstum
mit sich bringt. Der Hersteller innovativer Laser für Medizintechnik
und Industrie musste zwischenzeitlich über zehn Prozent
seiner Belegschaft entlassen. Ein Erfahrungsbericht aus der Gründerperspektive
nach einer überstandenen Krise.
E s gibt Leute, die behaupten, sie würden alles noch mal genau so machen wie sie es angepackt haben. Das sind für mich Glückspilze
– oder Ignoranten. Ich würde mit Sicherheit heute nicht mehr alles so machen, wie ich es damals angefangen habe. Das hieße,
nicht aus Fehlern und Erfahrungen zu lernen, und das fände ich unklug.
2006 war unser Jubiläumsjahr. Wavelight wurde zehn
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