Gründergeschichten
investiert und
wissen nun nicht, ob sie bald die Beschäftigtenzahl senken oder ein Mega-Expansionsprogramm auflegen müssen: »Wollen wir in
den nächsten Jahren ein oder zwei neue Produktionslinien bauen oder überlegen wir uns Sparmaßnahmen?« Sie bereiten beide |207| Optionen vor. Als die Entscheidung dann für das EEG fällt, bauen sie nicht zwei, sondern drei Linien – und vergrößern sich
damit von zwei auf fünf Fertigungsstraßen. »Ein unglaubliches Wachstum war das«, erinnert sich Milner heute zurück. »Die Beschäftigtenzahl
stieg von 208 Leuten auf 484. Das war ein riesiger Kraftakt.«
Ein boomender Markt, eine schier unstillbare Nachfrage, dazu ein funktionierendes Unternehmen mit zuverlässigen Chefs und
einer soliden Finanzierung – unter solchen Vorzeichen wird Q-Cells immer attraktiver auf dem Finanzmarkt. 2004, gerade mal
zwei Jahre nach ihrem Markteinstieg, erwirtschaftet die Firma schon knapp 20 Millionen Euro Gewinn vor Steuern. Die ersten
internen Diskussionen beginnen, wann das Unternehmen an die Börse soll. Vor- und Nachteile liegen auf der Hand: auf der Seite
der Pro-Argumente die Möglichkeit der Kapitalbeschaffung, der Imageaufbau und die Vergrößerung des Bekanntheitsgrads der Firma.
Auf der Contra-Seite steht die Tatsache, dass jeder in der Firma künftig umdenken müsste: Das finanzielle Berichtswesen würde
sich verändern, viele andere Formalitäten und Sicherheiten würden nötig, man könnte mit Externen nicht mehr so frei kommunizieren.
Doch die Debatte währt nur kurz. Allen Beteiligten ist schnell klar, dass kein Weg um einen Börsengang herumführt: Zu gewaltig
sind die Geldsummen, die künftig für Produktionsausbau, Forschung und Entwicklung benötigt werden. Die Gründer entscheiden
sich schließlich für den Oktober 2005, um den Gang an die Börse anzutreten.
Dann verliert am 22. Mai 2005 in Nordrhein-Westfalen die SPD die Landtagswahl und ein frustrierter Bundeskanzler Schröder
kündigt an, für den Herbst Neuwahlen anzustreben. |208| Auf den Stirnen einiger Q-Cells-Investoren tauchen Sorgenfalten auf: »Welche Regierung kommt ins Amt? Was werden die zukünftigen
Marktbedingungen sein?« Denn während die rot-grüne Regierung sich in der Umweltpolitik mit der Förderung nachhaltiger Energien
profiliert hat, steht die oppositionelle Union Subventionen für Umwelttechnologien bislang kritischer gegenüber. Aber für
Milner und seine Mitstreiter gibt es jetzt kein Zurück: »Wir müssen so oder so mit der politischen Lösung leben.« Es gewinnt
schließlich die Union – der Börsengang wird unabhängig davon ein grandioser Erfolg: Die Aktie ist 40fach überzeichnet und
kann zum Höchstpreis von 38 Euro ausgeteilt werden. Vom Emissionserlös fließen 240 Millionen Euro in die Kassen von Q-Cells,
dessen Wert an der Börse zunächst mit 1,6 Milliarden Euro beziffert wird. Im März 2007 beträgt die Marktkapitalisierung schon
3,7 Milliarden Euro, bei einem Aktienkurs um die 50 Euro.
Tatsächlich wäre der steile Aufstieg von Q-Cells – wie das Wachstum der gesamten deutschen Fotovoltaikindustrie – wohl ohne
die öffentlichen Fördermittel nie zustande gekommen: Gerade mal ein halbes Prozent des deutschen Stroms stammt aus Solaranlagen.
Auch unter den erneuerbaren Energien macht der Solaranteil nur bescheidene 4,1 Prozent aus – bezieht aber fast 20 Prozent
der Vergütung nach dem EEG. Denn während die Besitzer von neu errichteten Windrädern für die Netzeinspeisung ihres Stroms
gesetzlich garantierte 8,2 Cent pro Kilowattstunde Strom bekommen und Erzeuger von Biomassestrom elf Cent erhalten, dürfen
die Betreiber von Solarstrom mit stolzen 49,2 Cent rechnen. Zur Kasse gebeten werden dabei die Stromkunden, denen die hohen
Einspeisekosten des Ökostroms auf die Stromrechnung aufgeschlagen |209| werden. In der Politik regt sich daher bereits Unmut über die scheinbar ebenso exotische wie kostspielige Energiequelle Fotovoltaik
– zumal Kritiker der Branche bemängeln, dass die Solaranlagenbauer und alle ihre Zulieferer zwar indirekt von der hohen Förderung
profitieren würden, Solaranlagen aber weiterhin teuer blieben.
Anton Milner kennt diese Kritik und kann die Bedenken nachvollziehen: »Förderung ist per se ein hässliches Wort und Konzept.
Man denkt automatisch an Subventionen und Ähnliches.« Doch es gebe gute Gründe für die Förderung, versichert er, zumindest
noch für die nächsten paar
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